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Martin Schongauer (um 1445/1450 – 1491): Weltgericht aus dem Breisacher Münster (1491)

Aus der Werkstatt von Martin Schongauer (um 1445/1450 – 1491) haben wir nicht allein ein Rauchfass mit Anklängen an das Neuen Jerusalem (Bischofspalast Haarlem, um 1480) oder den Altar von Buhl/Bühl (um 1495), sondern auch eine Freskenmalerei aus dem späten 15. Jahrhundert. Die Fertigstellung wird auf das Jahr 1491 datiert. Schon kurz zuvor wurde Schongauer anlässlich einer Reise nach Basel 1489 dort als „Bürger von Breisach“ bezeichnet, was als Indiz gesehen wird, dass der Meister vielleicht zum Fertigstellen des großen Auftrags im St. Stephansmünster nach Breisach umgezogen war. Stimmt die Datierung, ist Schongauer während der Ausführung mit diesem Werk zu Tode gekommen.
„Groß“ war der Auftrag in der Tat, vor allem dem Maße nach. Im Münster schuf er den „Zug der Seeligen zum Paradies“ (links), „Das Jüngste Gericht“ (Mitte) und „Die Verdammten in der Hölle“ (rechts) auf einer Gesamtgröße von 145 Quadratmetern. Das Fresko ist damit das größte Weltgericht nördlich der Alpen. Selbstverständlich wurden die Malereien keineswegs vom alternden Schongauer ausgeführt, sondern der Meister hat, wenn überhaupt, höchstens den Entwurf beigesteuert und den Fortgang der Arbeiten beaufsichtigt. Diese verteilt sich auf drei Wandkompartimente und ist einem Triptychon nachempfunden. Auf der Südwand (14,4 x 7 Meter) ist das Thema der „Einzug der Seeligen ins Paradies“ – an sich eine unpassende Bezeichnung, denn die Verstorbenen ziehen nicht in das einstige Paradies vor Erschaffung der Welt ein, sondern nach Erschaffung der Welt in das Himmlische Jerusalem. Auch ist das Paradies eine Wald- und Wiesenutopie, das Neue Jerusalem eine urbane Idealstadt, ohne hier auf die weiteren Unterschiede dieser gegensätzlichen, aber auch komplementären Konzepte einzugehen.
Bei dem Fresko lassen sich nicht mehr alle Einzelheiten erkennen, auch die lateinische Schrift ist in Teilen unlesbar. Nur Dank älterer fotografischer Aufnahmen kennt man den Inhalt: Es ist bzw. war eine Huldigung an die Freuden Jerusalems. 1940 kam es zu ersten Bombenschäden, bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs waren die oberen Teile des Münsters zerstört und das Wandbild, das fast eine Höhe von 15 Metern erreichte, im oberen Bereich verrußt. Dank mehrerer umfangreicher und innovativen Restaurierungen bis in die jüngste Zeit hat man das Bestmöglich zur Rettung versucht.
Die ursprüngliche Konzeption sah in etwa so aus: Lediglich sieben Personen nähern sich der Himmelspforte. Es sind mittelalterliche Ständevertreter; Bauern und Tagelöhner lassen sich von einer Nonne, einem Papst und einem Kardinal unterscheiden. Personen und Architektur sind etwa doppelt so groß wie in Natur wiedergegeben, was die Monumentalität des Werkes unterstreicht. Von hoher Qualität sind die Gesichtszüge der Personen, auch auf die Wiedergabe wertvoller Kleidung wurde Wert gelegt. Die Architektur der Himmelspforte ist allein auf der rechten Seite zu sehen. Schongauer gibt sie als gotische Maßwerkgalerie mit Dreipass und Fischblasen wieder, in genau einer solchen Formsprache, wie das Münster selbst. Befand man sich im Inneren der Kirche, sollte das Neue Jerusalem als Illusionsmalerei des Münsters wirken und den Eindruck erwecken, die heilige Stadt sei nichts weiter als eine Fortsetzung des historischen Kirchenbaus.

Joseph Sauer: Der Freskenzyklus im Münster zu Breisach, Freiburg im Breisgau 1933.
Martin Schongauer und Breisach. Zum 500. Todestag des Malers und Kupferstechers Bernd Mathias Kremer, Freiburg 1991.
Helmut F. Reichwald: Die Restaurierung der Wandmalereien von Martin Schongauer im St. Stephanus-Münster zu Breisach, in: Der hübsche Martin, Colmar 1991, S. 81-87.
Gerhard Klein: Martin Schongauer und das ‚Jüngste Gericht‘ im Breisacher St. Stephansmünster, Breisach 2007 (3).

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tags: Weltgericht, Breisgau, Baden-Württemberg, Pforte, Triptychon, Ständevertreter, Spätmittelalter
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