Eine besondere Pretiose bezüglich des Neuen Jerusalem wird heute im Berliner Kunstgewerbemuseum in Schloss Köpenick aufbewahrt (Inventarnummer O-1985,12), welches wiederum zu den Staatliche Museen zu Berlin gehört. Es handelt sich um einen um 1650 hergestellten kleinen Kabinettschrank aus Elfenbein. Von diesem haben sich weltweit noch oder immerhin circa zehn Exemplare erhalten. Entstanden sind diese Arbeiten alle zwischen 1646 und 1664. Das Köpenicker Exemplar wurde in Augsburg gefertigt und soll aus dem Umkreis des Möbeltischlers Melchior Baumgartner stammen. Melchior Baumgartner (1621-1686) war dort ein Kunsttischler, der, zusammen mit anderen Kollegen, die Schreinerwerkstatt seines Vaters weiterführte. Hergestellt wurden kostbar verzierte und mit teuren Materialien ausgestattete Kunsttische, die man damals als „Schreibtische“ bezeichnete. Was in diesen Kabinettschränkchen aufbewahrt wurde, ist nicht festgelegt und wechselte mit den Jahrhunderten. Im Falle der biblischen Motive denkt man einen Geistlichen, der hier vielleicht fromme Dichtungen oder erotische Geheimnisse aufbewahrt hat – nur eine kostenintensive chemische Analyse könnte Hinweise darauf geben, was hier einst aufbewahrt wurde.
Die Schubladenfronten zieren Plaketten mit Malereien zu biblischen Themen aus dem Alten und Neuen Testament. Diese Malereien stammen vermutlich nicht von Baumgartner, sondern von einem ausgebildeten Malermeister. Die unterste mittlere Schublade zeigt vorne eine Emaillemalerei mit dem Neuen Jerusalem, dessen Farbkraft sich exzellent erhalten hat. Rechts steht ein Engel neben Johannes auf Patmos und deutet auf das zentrale Geschehen. Unter den Strahlen der Sonne breitet sich die göttliche Stadt aus, mit zahlreichen Häusern angefüllt. Sie ist, dem Zeitgeschmack entsprechend, in eine natürliche Landschaft gesetzt, die etwas vom Aufbruch und dem Frieden nach dem langen Krieg ahnen lässt. Ungewöhnlich ist die Burg hinter der Stadt, was man so aus dem Sujet Gottesstadt nicht kennt. Vielleicht wurde sie speziell für den Auftraggeber eingefügt? Ansonsten darf festgestellt werden, dass der noch namentlich unbekannte Maler zeitgenössische Bibelausgaben heranzog, nicht allein bei diesem Bibelbild. Als Vorlagen kommen die Apokalypseausgaben des Georg Nigrinus (1557 und 1593) in Frage.
Georg Himmelheber: Ulrich und Melchior Baumgartner, in: Pantheon, 33, 1975, S. 113-120.
Lothar Lambacher (Bearb.): Das ‚Walbaumkabinett‘ im Berliner Kunstgewerbemuseum, Berlin 2013.
Beitragsbild: Achim Stiegel, Kunstgewerbemuseum zu Berlin