Um 1880 wurde, mit zwei Generationen verspätet, das Zweiwegemotiv nach süddeutschen und schweizerischen Vorlagen auch in der russisch-orthodoxen Kirche populär. Dieses frühe Beispiel entstand im Jahr 1884 in Moskau, der Titel in kyrillischer Schrift unter dem Bild (auf dem Ausschnitt nicht zu sehen) lautet übersetzt: „Die zwei Wege des Lebens zum Himmel oder der Hölle“. Eigentlich ist es sogar ein Bild mit drei Toren im unteren Bereich und den zwölf Toren des Himmlischen Jerusalem im oberen Bereich. Zunächst fallen die beiden Tore im Vordergrund auf: Links das breite Tor zur Hölle, rechts das schmale in den Himmel führende. Künstlerisch ausgestaltet, mit Figuren geschmückt ist nur das rechte Tor, während das Höllentor aus dunkelgrünen Natursteinen zusammengesetzt erscheint. Weiter oben ist genau zwischen beiden Toren ein drittes, kleineres zu finden: Dieser einfache Rundbogen ermöglicht es Personen, die auf die wortwörtliche schiefe Bahn geraten waren, eine Umkehr auf den Weg der Tugend. Dort muss man allerdings das Kreuz tragen, ein uraltes Motiv dieser Zweiwegebilder seit Heemskerck. Das Himmlische Jerusalem in der Bildmitte oben besteht aus neun Reihenhäusern, die von einer Mauer umschlossen sind, von der man jeden Stein erkennen kann. Darüber ist eine Trinitätsallegorie gesetzt (Lamm/Christus, Dreieck/Gottvater, Taube/Heiliger Geist). Umgeben ist die Stadt von Engeln, die ein Kreuz und eine Krone präsentieren. Selbst der Tugendweg führt auf dieser Darstellung nicht direkt zu einem der Tore, sondern die Stadt erscheint getrennt von der Erde in den Wolken. Hervorzuheben ist die systematische Reihung der Bauten in der Stadt, zwischen die der namentlich unbekannte Künstler vereinzelt Bäume gesetzt hat, weiter vorne auch eine ganze Reihe von Personen. Diese Reihung der Bauten spiegelt den Ordnungsgedanken der Zeit wieder, während Unordnung und Chaos mit der Hölle verbunden wurden. Die Reihung findet sich schon auf älteren Fassungen dieses Bildes von Jakob Renz (1820) oder von Johann Evangelist Ling (um 1840), doch derart isoliert findet man die Bauten erst auf einer Zeichnung aus der Mitte des 19. Jahrhunderts aus Schweden, von wo aus die russische Fassung vermutlich beeinflusst wurde. Als die russische Fassung auf den Markt kam, war das alles in Westeuropa nicht länger aktuell, sondern die Zukunft gehörte der Neuinterpretation von Charlotte Reihlen.
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