Die Malereien in der Kapelle Sainte Elisabeth in Vence unweit von Nizza (Département Alpes-Maritimes) wurden von Jacques Canavesi (Jacques de Canavesis), einem italienischen Mönch aus Turin, ausgeführt. Das war, wie die neueste Forschung belegt, 1491, kurz nachdem die Stadt nicht länger dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nation angehörte. Nicht wenige Wandermönche durchstreiften Ende des 15. Jahrhunderts die im Norden an Savoyen und im Osten an Italien grenzenden Regionen und boten ihre künstlerischen Fertigkeiten an. Sie konnten Fresken wesentlich preiswerter als örtliche Handwerksbetriebe anbieten und waren zudem auf Kirchenmalerei spezialisiert.
Es handelt sich in Vence um einen kleinen Ausschnitt eines größeren Freskos mit Aposteln, Gelehrten und Propheten, die sich über dem Himmlischen Jerusalem befinden. Über einer kargen Mauer aus Quaderblöcken erhebt sich rechts ein Torturm mit Zinnen bekrönt, ähnlich wie auf einer Malerei in Kastelaz. Weiter vorne, links, läuft eine Treppe nach oben bis an diesen Torturm, in welchem die Geretteten von einem Engel in Empfang genommen werden. Die acht Treppenstufen erinnern nicht zufällig an Gräber, aus denen die Personen gerade zum Jüngsten Gericht entstiegen sind. Erstaunlicherweise scheint es sich ausschließlich um Frauen zu handeln. Sie alle blicken in den Raum, allein die dritte Person von links hat ihren Kopf zum eigentlichen Geschehen, dem Neuen Jerusalem, gewandt. Hinter den Frauen stehen schützend Engel, die den Zug bewachen, bekrönt von einem frei gelassenen Schriftband. Auf der gegenüberliegenden Mauerseite wurden hingegen die Verworfenen auf ihrem Weg in die Hölle aufgemalt (hier nicht abgebildet).
Vence (Alpes-Maritimes): Chapelle Sainte-Elisabeth, in: Marguerite Roques: Les peintures murales du sud-est de la France, Paris 1961, S. 338-340.
Paul Roque: Les peintres primitifs niçois. Guide illustré, Nice 2006.