Die römisch-katholische Kirche St. Antonius Abbas in Herkenrath, einem Ortsteil von Bergisch-Gladbach, stammt in Teilen noch aus dem 12. Jahrhundert. 1963/64 wurde sie umfangreich erweitert. Kurz darauf wurde der Kirchenmaler Hermann Gottfried (1929-2015), der in Herkenrath ansässig war, beauftragt, die Kirche im Erweiterungsbau mit einem neuen Altarbild des auferstandenen Christus, Wandmalereien und einem modernen Deckengemälde auszustatten. So entstanden 1977 überwiegend dunkle Kompositionen, die auf Lila, Blau, Grau, Beige und Schwarz basierten. Im Deckenbereich soll, nach eigener Aussage des Künstlers, das Himmlische Jerusalem dargestellt sein. Durch die massiven Stahlunterzüge, zwischen die Stahlbetonkreuze gespannt wurden, ist es leider nicht möglich, die Malereien im Ganzen zu erleben. Technisch wäre es möglich gewesen, eine optisch zurückhaltendere Konstruktion einzubauen, doch damals war es der künstlerische Anspruch, Konstruktionen bewusst sichtbar zu machen. Im vorderen Bereich nahm der Künstler das Motiv des Altarbildes, also des auferstandenen Christus auf, und setzte es nach oben fort. Mit einem weißfarbenen Engel soll hier die himmlische Sphäre ansetzen. Der Engel ist in ein Dreieck gesetzt, welches mit vegetabilen, schwungvollen Formen ausgefüllt ist.
Das anschließende zweite Mittelteil der modernen Decke führt diesen Gedanken fort und zeigt das Neue Jerusalem als Rechteck, welches von Kreissegmenten umgeben ist. Das Zentrum ist malerisch nicht akzentuiert, es ist ohnehin durch die sich kreuzenden Trägerbalken kaum einsehbar. Für den Betrachter in fünfzehn Metern Tiefe erscheint die Decke als blau-weiße Marmorierung, die vielleicht Wolken simulieren soll. Nur hin und wieder sind auch hier merkwürdige weiße Köpfe eingefügt, die wie Gespenster oder Geister aussehen. Es sollen Engel sein. Ähnliche Engel finden sich auch am Altarbild dieser Kirche sowie auf anderen Werken des Künstlers, so auf der zeitgleich entstandenen Malerei in St. Johannes in Gladbeck.
Lebensfreude strahlt dieses Himmlische Jerusalem keineswegs aus. Die Malereien wurden als Katastrophe empfunden und zeigen im Rückblick, wie respektlos man mit alter Bausubstanz umgegangen ist; man wollte in den 1960er Jahren unbedingt „modern“ sein und hätte am liebsten die gesamte romanische Kirche abgerissen und durch einen Betonbau ersetzt. Gottfried erinnerte sich rückblickend 2002: „Meine Arbeiten waren nie unumstritten. In Herkenrath muss man aber wissen, dass dort durch die Neubemalung kein alter Bestand vernichtet worden ist. Ganz im Gegenteil, durch meine umfassenden Malereien, in die man ja auch den Chor einbeziehen muss, wurde die Kirche aufgewertet und vor einem möglichen Abriss bewahrt.“
Dennoch konnte sich die Gemeinde nie gänzlich mit den Malereien anfreunden. Bei Erneuerungsarbeiten 2005 wurden Teile des Freskos, in Absprache mit dem Künstler, vom Architekturbüro Dr.-Ing. Norbert Stannek verändert, um den Gesamteindruck der Kirche heller und freundlicher zu gestalten. Einige der Figuren im Obergarden, die mit dem Himmlischen Jerusalem in Beziehung standen, gingen jedoch dadurch verloren, so dass es inzwischen noch schwieriger ist, die Malereien im Ganzen zu deuten.
Ursula Clemens-Schierbaum: Katholische Pfarrkirche St. Antonius Abbas Bergisch Herkenrath, Regensburg 2006.
Gottes Haus, Tor des Himmels. Festschrift zum Jubiläum 2014 in St. Antonius Abbas, Herkenrath, Bergisch Gladbach 2014.
Claus Bernet: Das Himmlische Jerusalem in Deutschland, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 27).