Dieser Radierung aus dem Graphischen Kabinett des Benediktinerstifts Göttweig (Niederösterreich) in der Größe von 19 x 15 Zentimetern ist unten am Plattenrand mit dem Namen des Künstlers Karl Gustav Amling (1651-1702) signiert. Amling war Nürnberger Zeichner und Kupferstecher, er leistete vor allem in den Handzeichnungen und im Porträt Beachtliches. Im Jahr 1699 wurde er vom deutschen Kaiser Leopold als Anerkennung für seine künstlerischen Leistungen in den Adelsstand erhoben.
Ein Porträtmedaillon zeigt Franz 11. Millauer, Can. Reg. vom Kloster Au am Inn (oberbayerischer Landkreis Mühldorf), wo er von 1690 bis 1710 als Propst wirkte. In den vier Eckzwickeln befinden sich kleine ovale Kartuschen mit Hinweisen auf das Wirken des Ordens der Augustinerchorherren, die an und für sich in der bildenden Kunst keine besondere Beziehung zu endzeitlichen Themen pflegen. Umso interessanter wird diese Ausnahme: Oben rechts ist das barocke Kloster Au am Inn als Vedute aus der Vogelperspektive eingezeichnet. Schon das mächtige Kloster mag manchen als Himmlisches Jerusalem erschienen sein. Über die Klosteranlage hat Amling das Himmlische Jerusalem gesetzt, aber in höchst origineller und selten zu findender Form: Sieben niedrige Kuppelbauten sind auf einem Wolkenfries aneinandergereiht und ergeben eine Kette. Im Wechsel haben die Bauten jeweils ein Tor. Darüber ist ein Dreieck als Trinitätssymbol gesetzt, von dem aus die Bauten und weiter unten auch das Kloster bestrahlt werden. Umschrieben ist dieses Emblem mit den Worten „Haec Mansio. Felicitas“, was die Stadt (bzw. das Kloster Au am Inn) als glückseligen Ort kennzeichnet. Gleichzeitig wird das Kloster als irdischer Vorläufer des künftigen Himmlischen Jerusalem in Beziehung gesetzt.
Michael Hartig: Die oberbayerischen Stifte, München 1935.
Norbert Backmund: Die Chorherrenorden und ihre Stifte in Bayern, Passau 1966.
Claus Bernet: Barock und Rokoko, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 31).