Suche
Close this search box.

Turiner Beatus (um 1100)

Unter allen illustrierten Beatus-Fassungen ist diejenige aus Turin eine der am wenigsten erforschten Ausgaben, da das Exemplar in Italien lange weniger bekannt war und nur sehr schwer zugänglich ist. Es findet sich in einer Sonderabteilung der Biblioteca Nazionale Universitaria von Turin (MS J.II.I; einst MS lat. 93). Die flächige Farbgebung dieser Pretiose hat sich exzellent erhalten; bei den Jerusalems-Miniaturen dominieren gelbe, blaue und rote Farbtöne – aus diesen drei Farben sind fast die gesamten zwei Bilder gehalten.
Die Handschrift dürfte im heutigen Spanien am Ende des 11. bzw. zu Beginn des 12. Jh. entstanden sein. Ungewöhnlich ist, dass sich das Himmlische Jerusalem über zwei Seiten erstreckt, wodurch die an und für sich quadratische Stadt in die Länge gezogen wird. Das erschwert die Anordnung der Tore.

Der Illustrator setzte, auf fol. 179v und fol. 180, nun sechs Tore, mit den Aposteln darinnen, an den unteren Rand, und sechs weitere Tore an den oberen Rand. In ihnen stehen Personen, die anhand der lateinischen Inschrift als Apostel identifiziert wurden. Neben dem Namen ist übrigens auch immer der Name eines Edelsteins eingeschrieben. Weitere, unbesetzte Tore oder Fenster sind zwischen die obere und untere Reihe gesetzt. Eigenartigerweise finden sich zwölf weitere, kleine Tore in blauer Farbe direkt unter dem Engel, dem Lamm und der Johannesfigur. Nach oben hin schließt die Miniatur mit Zinnen und 14 Türmen ab, die alle ein unterschiedliches Dächlein haben.

Büsten von Heiligen in der Himmelsstadt zeigt das folgende, rückseitige Blatt fol. 180v, das sehr eng an die entsprechende Miniatur des Morgan-Beatus (fol. 223v) angelehnt ist.
In der oberen Hälfte sind 18 Personen in Arkaden gefasst, die links und rechts mit einer korinthischen Säule abschließen. Oben thront Christus in einer einfachen, orangefarbenen Mandorla. Von ihm aus fließt der Lebensstrom nach unten, aber in einer umgekehrten Farbwahl als in der Natur: Das Ufer ist hier blau, der Fluss weiß. Er mündet im Lebensbaum links und wird dort von Ästen des Baumes umschlungen. Fast gewinnt man den Eindruck, als wäre der Lebensstrom ein Teil des Astes oder würde aus dem Baum entspringen und nach oben hin anwachsen. Für eine Beatus-Illustration üblich, ist unten nochmals Johannes mit dem Engel auf einem Hügel in Patmos gezeigt, hier mit einem rötlichen Nimbus, der fast die gleiche Farbe wie der Hintergrund besitzt und daher leicht zu übersehen ist.

Wilhelm Neuss: Eine katalonische Bilderhandschrift in Turin. Der Beatus J II 1 der Biblioteca Nazionale, in: Spanische Forschungen der Görresgesellschaft, 2, 1930, S. 36-46.
Mauricio Herrero Jiménez (Hrsg.): Beato de Turin, Madrid 2000.

 

tags: Turin, Italien, Spanien, Apostel, Arkaden, Lebensfluss, Beatus, Mittelalter
Share:
error: