Clyde N. Provonsha (1911-2006): Jerusalems-Illustrationen (1952, 1953 und 1967)
Diese Fassung des Himmlischen Jerusalem findet sich im Internet auf schätzungsweise 800 Seiten in verschiedenen Ausschnitten und Farbskalen, als Collage, Poster, Postkarte usw. Der Urheber war lange Zeit unbekannt geblieben, erst nach jahrelangen Recherchen konnte Clyde Norman Provonsha (1911-2006) als Künstler identifiziert werden. Dieser hatte diese Arbeit 1952 angefertigt. Wie sein etwas bekannterer Bruder, der Maler Gordon V. Provonsha (1909-1956), stammte er aus Colorado, lebte und arbeitete aber von 1933 bis in die 1950er Jahre in Los Angeles für die Western Lithograph Company und galt als „commercial artist“. Von 1952 an wurde die Abbildung von den Siebenten-Tags-Adventisten mehrfach gedruckt; verbreitet vor allem in Band 2 von „God Cares“ (1985, S. 507).
Es ist schwer zu bestimmen, weshalb gerade diese Zeichnung derart populär wurde. Zunächst fällt auf, dass der christliche Gehalt sehr zurückgedrängt ist: Es fehlen Engel, ebenso wie Johannes, Christus, Maria, Gottvater oder das Lamm. Das Haupttor mit dem Lichtstrahl auf die Erde unten links hat viele Betrachter in ihren Bann gezogen, davon geht etwas Hoffnungsvolles, Verheißendes aus. Die Stadt im goldenen Licht ist als klassizistische, antike Stadt gezeichnet und daher für Betrachter aus den unterschiedlichsten Ländern und Kulturen annehmbar.
Ein Jahr später wurde in der adventistischen Zeitschrift „Signs of the Times“ (Band 80, Nr. 48, 1953, S. 9) noch ein weiteres Jerusalem-Bild von Provonsha gebracht. Unten spielt Jesus mit Kindern am Fluss, und oben erscheint, etwas schwach im Hintergrund, das Neue Jerusalem. Im Original wird es sich bei diesem Bild um eine Farbfassung handeln, Jerusalem darf man sich gold-gelb vorstellen.
Eine der letzten Illustrationen der göttlichen Stadt von Clyde Provonsha wurde 1967 in einer Neuausgabe von „Bible Readings for the Home“ gedruckt (Seite 547). Im Vordergrund befindet sich eine Personengruppe; es ist Jesus mit Kindern. Er hat übrigens die gleichen Gesichtszüge wie in der Zeichnung von 1953. Ihm gegenüber steht ein Ehepaar mit seinem ältesten Sohn. Die Mutter, die andächtig die Hände faltet, hat Züge Mariens, wie überhaupt das Ehepaar Maria und Joseph als Idealbild der christlichen Familie verklärt wurde. Darüber vergisst man schnell die Stadt im Hintergrund links, von der sich im hellen Licht allein die Umrisse ausmachen. Es sind jetzt blockartige Gebäude, von denen ein Turm in Form eines Hochhauses mit Kuppel herausragt. Vorne zeichnet sich noch ein antiker Tempel ab, dessen Säulenportikus man erkennen kann, da die Stadt nicht von einer Mauer umzogen ist. Inzwischen hatte sich die Mode geändert, auch Norman Brice (1948) Charles Zingaro (1953) oder Lester Quade (1953) propagierten diese moderne Variante.
Zusammen mit der vorherigen Abbildung erschien in „Bible Readings for the Home“ noch eine zweite Darstellung Jerusalems, die Clyde Provonsha zugewiesen werden konnte (Teil des Nachlasses). Neben einer Opferszene (links) wird rechts der Weg frei. Dort können Familien (des Ideal der damaligen Adventisten) sich der Stadt im Hintergrund nähern. Es ist eine gleißende, gelb-weiße Lichterscheinung, aus der die offene Pforte hervorsticht.
Provonsha, Clyde N., in: Edan Milton Hughes: Artists in California, 1786-1940, 2, San Francisco 1989, S. 449.
Claus Bernet: Freikirchen, ‚Sekten‘, Denominationen, Norderstedt 2013 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 9).