Die Ornamentik des Hintergrundes dieser Miniatur verweist auf eine Gründungsurkunde einer Utrechter Bruderschaft von 1436. Zu dieser scheint eine besondere Beziehung zu bestehen, denn auf beiden spätmittelalterlichen Miniaturen findet man auch die markanten Köpfe der aus den Gräbern Auferstandenen, zusätzlich ist auf beiden Werken das Himmlische Jerusalem goldfarben eingefasst, was ansonsten eher selten vorzufinden ist, da gewissermaßen Verwechslungsgefahr mit einem anderen Symbol, dem Goldenen Haus, besteht.
Die sog. Rauner-Fassung ist deutlich manieristisch geprägt, so findet man hier blaue Engelsfiguren, und ein Drachenmaul mit verzerrtem menschlichen Gesicht, extrem in die Länge gezogen wie auf der Legenda Aurea von etwa 1405. Bemerkenswert ist der tänzerisch wirkende Christus. Statt Ruhe auf seinem Regenbogen-Thron auszustrahlen scheint er auf der Weltkugel zu jonglieren, seine Arme gestikulieren wild in verschiedene Richtungen. Der Kolorist hatte das Talent, aus Wenig das Beste zu machen: Der Engel, das Dach und der Ansatz des Regenbogens werden durch die blaue Färbung zu einem viereckigen Rahmen um Christus; die Krümmung des Regenbogens spiegelt sich in dem Bogen der Landschaft darunter wieder. Was jeder Betrachter des frühen 15. Jahrhunderts, als diese Arbeit einstanden ist, sofort irritiert bemerken würde: Hier fehlen sowohl die Geretteten vor der Pforte wie auch die Gefolterten vor der Hölle.

Die Handschrift ist Teil der Rauner Special Collections Library, die dem Dartmouth College in den USA angeschlossen ist; Signatur: 003134 (Schenkung von Madelyn C. Hickmott, 1897-1988). Es handelt sich um ein kleines flämisches Stundenbuch mit 79 Blättern, davon 13 großformatige Miniaturen, aus dem Beginn des 15. Jahrhunderts. 2016/17 zeigte die Bibliothek diese Miniatur im Rahmen des Rauner Museums eine Ausstellung, die sich mit Darstellungen von Tod und Jenseits, beschäftigte.


