Walter Klocke (1887-1965): St. Augustinus in Gelsenkirchen (1959)
In der Gelsenkirchener Propsteikirche St. Augustinus im Herzen des Ruhrgebiets wurde 1959, also unmittelbar vor der römisch-katholischen Liturgiereform, ein schlichter, aber wohlproportionierter Tabernakel angefertigt. Er stammt von dem Glasmaler und Bildhauer Walter Klocke (1887-1965). Sucht man von diesem Künstler ein weiteres Neues Jerusalem, muss man viele Jahre vor den Zweiten Weltkrieg zurückgehen, als Klocke eine Himmelspforte für St. Marien in Waltrop schuf. Für die Propsteikirche hat Klocke ab 1955 mehrere Fenster eingebaut. Der Künstler war hier bestens bekannt, da er seit 1922 sein Atelier in der Stadt führte. Hergestellt wurde die Silberschmiedearbeit von der Werkstatt Cassau in Paderborn, ein 1892 gegründetes Traditionsunternehmen. Auf einer Granitstele als Sockel (eine kopfstehende Pyramide) sind auf der Vorderseite die kleinen Türflügel mit zwölf Bergkristallperlen besetzt – ein Hinweis auf Apokalypse Kapitel 21, Vers 16. Die vier Evangelisten an den Ecken scheinen wie Wächter den Tabernakel zu umstellen. Das pyramidale Zeltdach mit dem bekrönenden Kreuz wurde später hinzugefügt und gibt dem Tabernakel das Aussehen eines Hauses mit vier Seitentürmen.
Der Tabernakel hatte ursprünglich auf dem Altar gestanden. Als dieser nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil auch optisch zum Mittelpunkt der Kirche wurde, erhielt das Sakramentshaus seinen eigenen Platz. Der Altar wurde verkleinert, aus dem übrig gebliebenen Stein hat der Künstler einen Sockel gefertigt. Altar und Tabernakelträger sind aus demselben Steinquader entstanden; beide gehören liturgisch und gestalterisch eng zusammen.
Propsteikirche St. Augustinus Gelsenkirchen. 1874/1974, Gelsenkirchen 1974.
1000 Jahre Pfarrei, 100 Jahre Propstei St. Augustinus Gelsenkirchen. Ein geschichtliches und spirituelles Lesebuch, Lindenberg 2004.
Benedikt Conczorowski, Manfred Paas, Dirk Nothoff: St. Augustinus Gelsenkirchen: Schätze und Impulse aus den Kirchen einer Großstadtpfarrei. Ein kunsthistorisches und spirituelles Lesebuch, Lindenberg im Allgäu 2010.
Claus Bernet: Der Tabernakel und das Neue Jerusalem, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 34).