Kleine Bilder von Heiligen waren im 19. Jahrhundert weit verbreitet, sie werden als Heiligenbildchen, Andachtskarte, Canivet, Goldprägebildchen oder noch anders bezeichnet. Sie waren fast immer koloriert und zeigen Größtenteils Maria, Jesus oder lokal populäre Ordensheilige, während Baulichkeiten, wie das Himmlische Jerusalem, auf diesen Werken sehr selten zu finden sind. Eine Ausnahme ist dieses Heiligenbild aus dem römisch-katholischen süddeutschen Umfeld, wahrscheinlich aus dem Erzbistum München/Freising.

Die Karte zeigt den Heiligen Johannes, den Evangelisten, begleitet von seinem Symbol, dem Adler unten rechts. Dort ist das Motiv auch unmissverständlich auf Latein beschrieben: „St. Johannes Evangelista“. Die gleiche Angabe findet sich nochmals auf der Rückseite, zusammen mit einem Zitat aus der Johannesoffenbarung und einem Gedicht von Cordula Peregrina. Dieser Name war das Pseudonym von Cordula Wöhler (1845-1916) aus Tirol, einer schwärmerischen wie überzeugten tiefreligiösen Schriftstellerin, die 1870 zum Katholizismus konvertierte. Unter diesem Eindruck entstand ihr Gebet „Segne du, Maria“, ihr bekanntestes und weitaus erfolgreichstes Gedicht.
Wöhlers dichterische Hommage an das Himmlische Jerusalem ist dagegen weniger bekannt. Bildlich umgesetzt wurde es, indem hier der Evangelist Johannes mit dem Seher Johannes und dem Verfasser der Offenbarung gleichgesetzt wurde. Daher findet sich hier auch dessen Symbol, die heilige Stadt Jerusalem. Oben rechts brechen Wolken auf, eine Sonne erscheint. Vor ihr sieht man eine Seite einer Stadtmauer, die mit drei geschlossenen Tortürmen besetzt ist. Die gesamte Stadt ist in einem dunklen Ocker gehalten, der Gold imitieren sollte.
Hans Bleibrunner: Andachtsbilder aus Altbayern, München 1971.
Wieland Vogel: Doch meine Seele habt ihr nicht. Die Konversion der Dichterin Cordula Wöhler, Kisslegg 2020.


