
In den 1990er Jahren explodierte das Internet förmlich, immer mehr Homepages entstanden und mussten mit Illustrationen ausgestattet werden. Damals war es noch nicht so einfach, mit Zeichenprogrammen ansehnliche Werke entstehen zu lassen, und auch die Künstliche Intelligenz stand nicht zu Verfügung. In die Lücke sprangen nun Cliparts. Bei dieser Zeiterscheinung handelt es sich um einfache Grafiken aus gemeinfreien Werken oder aus dafür vorgesehenen speziellen Clipart-Büchern, die ausgeschnitten und in eigene Kreationen eingeklebt wurden. Daher kommt auch der englische Name, also von englisch clip „ausschneiden“ und art „Kunst“. In den meisten Fällen handelt es sich um Collagen, an denen Teams von Grafikern beteiligt waren. Sie verstanden sich weniger als Künstler, sondern als Dienstleister, ihre Namen tauchen auf den Cliparts so gut wie nie auf. Die Cliparts wurden damals in Serie zu zahlreichen Themen herausgebracht, wie „Freizeit“, „Arbeit“, „Reise“ usw. Eigene Clipart-Sammlungen entstanden zum Thema „Bibel“. Eine solche Serie um 1998 ist von der Standard Publishing Company, ursprünglich 1872 in Ohio gegründet.
Unter den zahlreichen Grafiken findet man ein Angebot zum Himmlischen Jerusalem, dass sich auch heute noch vereinzelt im Internet finden lässt. Der Grund mag daran liegen, dass einige Kirchen die Schwarzweiß-Illustration zum Ausmalen für Kinder anboten.
Die Grafik verbindet eigentlich zwei getrennte Themen, den ewigen Tierfrieden unten mit dem Himmlischen Jerusalem oben. Der ewige Tierfrieden war und ist in den USA in religiösen Kreisen ein ungebrochen populäres Bildmotiv. Aufgrund seiner Harmlosigkeit und der Tiere schien sich das Thema als Malvorlage für Kinder geradezu aufzudrängen. So sieht man hier einen lustigen Hasen von der Hinterseite, vereint mit einem Pferd und einem Lamm – was fehlt, sind Fressfeinde oder wirklich gefährliche Tiere wie Schlangen, Löwen oder Bären, was ja den Tierfrieden erst verständlich machen würde. Einzig zwei Vögelchen sind über die Gruppe gesetzt.
Das Himmlische Jerusalem erscheint zwischen zwei Bäumen. Mit der Szene unten ist es nicht über einen Weg, Engel oder Blickrichtungen verbunden, sondern es wirkt isoliert. An seiner Vorderseite finden sich fünf Tore, da der Grafiker vermutlich keine Kenntnis von der Zwölfzahl der Tore hatte, demzufolge hier eigentlich drei Tore zu sehen sein müssten – neu ist Fassung mit fünf Toren jedoch nicht, vgl. die Zeichnung von Karl Engler von 1926. Auch auf andere spezifisch religiöse Merkmale (wie der Thron Gottes, Engel, Kreuze etc.) wurde komplett verzichtet, zugunsten einer friedlichen Ansammlung von Häusern (viele mit Kuppeln) und Bewuchs. Lediglich Strahlen über der Stadt (jetzt auf einmal Zwölf!) künden vom Besonderen dieser Stadt.