
Bob Miller: Farbzeichnung „Johannes sieht das Neue Jerusalem“ (2000)
Die im Internet weitverbreitete und dadurch populär gewordene Zeichnung „John sees the New Jerusalem“ („Johannes sieht das Neue Jerusalem“) geht zurück auf ein zweiteiliges Video, welches im Jahr 2000 unter dem Titel „The Revelation of Jesus Christ“ („Die Offenbarung von Jesus Christus“) bei der Sunset West Productions in Kalifornien erschien. Inhaltlich wird darin eine wörtliche Bibelinterpretation des Pastors Jack Coleburn präsentiert. Seinen fundamentalchristlichen Predigten wurden leicht verständliche Zeichnungen des Amerikaners Bob Miller zur Veranschaulichung beigegeben.
Die Hauptperson ist vorne links ins Bild gesetzt, mit einem Wander- oder Pilgerstab. Über einer Küstenlandschaft, die Patmos durchaus ähnelt, erscheint in den Wolken das Neue Jerusalem. Die Vision erstreckt sich fast über das gesamte Bild, was die Größe der Stadt unterstreichen soll. Ebenso verbreitert sich das Edelsteinfundament nach unten, was ebenfalls den Eindruck von Stabilität hervorruft. Es sind zwölf Platten in unterschiedlichen Farben, auf denen es hin und wieder blinkt. Den gleichen Effekt hat Miller bei den zwei Mauerseiten verwendet. Dort ist mit viel Mühe jeder Stein einzeln eingezeichnet worden. Die spitz zulaufen Tore sind in einem arabischen Stil gehalten. In ihnen stehen Engel mit weißen Gewändern. Zu jedem Tor führt nun eine breite Rampe, die wie eine Rolltreppe aussieht – eine große Zahl von Menschen könnte dadurch gerettet werden. Rampen vor den Toren waren schon einmal im Spätmittelalter ein Bestandteil der Jerusalemsikonographie (so bei Meister Thomas von Villach) und auch in der Reformationszeit (so bei Georg Lemberger); im 20. Jahrhundert jedoch findet man sie extrem selten. Durch die geschlossenen Tore und den tiefliegenden Sichtwinkel ist es nicht möglich, einen Blick in das Innere dieser Stadtanlage zu werfen.
Claus Bernet: Zeichnungen, Norderstedt 2014 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 19).