Hildegard Bienen (1925-1990) befand sich Ende der 1970er Jahre auf dem Zenit ihrer Schaffenskraft, allein 1979 arbeitete sie am Fensterzyklus für St. Antonius in Oberhausen-Alstaden, an den Kreuzwegstationen für St. Barbara in Oberhausen und den Fenstern der neuen Friedhofshalle an ihrem Wohn- und Arbeitsort Marienthal. Dennoch fand sie die Zeit, auch einmal im Bistum Fulda einen Auftrag anzunehmen. Dort benötigte die Filialkirche St. Joseph im Stadtteil Rothenditmold eine neue Verglasung. Diese Kirche liegt auf einer Anhöhe und wird umgangssprachlich als Kirche am Rothenberg genannt. Direkt neben einem Krankenhaus gelegen wird sie auch von dort besucht. Dieses Krankenhaus führt den Namen Marienkrankenhaus, der 1913 in Bezug auf die bereits vorhandene Kirche gewählt wurde (Motiv: Heilige Familie).
Die Josephskirche war 1906/07 in einer historischen Mischung zwischen Neoromanik und Jugendstil erbaut worden, Reste davon kann man noch am Äußeren erkennen. Die Kirche liegt unweit der Henschel-Rüstungsbetriebe, was erklärt, dass dieses Gebiet stark von Fliegerangriffen betroffen war und die Kirche totalzerstörte. Alle Fenster der Erstausstattung gingen verloren. Nach dem Krieg wurde die Kirche in mehreren Etappen wieder aufgebaut, zunächst mit Fenstern im Kirchenschiff der Glashütte Süßmuth aus Immenhausen. Kunstinteressierte Besucher kommen gewöhnlich wegen dieser Nachkriegsfenster – auch bei meinem Besuch war man stillschweigen davon ausgegangen, ich würde wegen der Süßmuth-Fenster kommen.

Die die späteren Ergänzungen im Chor fanden bislang kaum ein Interesse, so dass es auch länger dauerte, bis etwas über die Entstehung herausgefunden werden konnte. Ende der 1970er Jahre erweiterte man die Kirche um den Chorbereich, der noch kriegszerstört vermauert war. In die fünf Fensteröffnungen wollte man eine Darstellung des Neuen Jerusalem haben, möglichst „unter Bezug des Lichts in einer modernen, dem heutigen Glaubensverständnis angemessenen Formensprache mit zurückhaltender Figürlichkeit. Mit Ausnahme des Christus, den wir uns in Gestalt des Lammes auf den sieben Siegeln wünschen, wie es in der Offenbarung des Johannes erwähnt ist“. Hildegard Bienen löste die Aufgabe, indem sie das Lamm auf dem Buch in das mittlere Fenster setzte, und die Tore der Stadt auf die übrigen vier Fenster verteilte. Das erste und letzte Fenster zeigen jeweils drei schmale, vertikale Türme im oberen Bereich, die nach unten in horizontale Edelstein-Streifen übergehen, zwischen die immer wieder Perlen gesetzt sind. Es sind die beiden Fenster, die spitz zulaufen, während die anderen drei Fenster oben in einem Knauf münden.
Auch Fenster Nummer zwei und vier ähneln sich. Sie zeigen oben jeweils drei Türme, aber etwas zurückhaltender, dafür aber Tore im unteren Bereich, wiederum umgeben von angedeuteten Edelstein-Schichten und Perlen. Besonders hingewiesen werden sollte noch auf den aufwendigen Schmuckfries, der alle Fenster umläuft (Fenster eins und fünf geometrisches Muster, Fenster zwei bis vier florales Muster). Selbst von außen lassen sich die handwerklich hervorragenden Strukturen und Motive gut ablesen. Bienen hatte hier mit der Glasmanufaktur Hensch zusammengearbeitet, wo diese Fenster 1979in Goch zusammengesetzt wurden.
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