MS Nouv. Acq. 3093: „Les Très Riches Heures du Duc de Berry“ (1380-1412)

Das Bild zeigt eine Miniaturmalerei aus dem späten 14. oder frühen 15. Jahrhundert, die fälschlich als „Der Garten Eden“ oder „Das Paradies“ bekannt ist. Es wurde von den niederländischen Miniaturmalern, den Gebrüdern Limburg (Paul, Jean und Herman) sowie weiteren Meistern über einen längeren Zeitraum von etwa 1380 bis 1412 (die genauen Zeitangaben variieren) im Stil der internationalen Gotik geschaffen, in Paris und vermutlich auch Bourges. Die Miniatur ist Teil ihres Stundenbuchs namens „Les Très Riches Heures du Duc de Berry“ (MS Nouv. acq. 3093, fol. 169r, BnF), das nicht nur eines der bekanntesten Stundenbücher ist, sonder als Meisterwerk mittelalterlicher Buchmalerei gilt. Auch dieses Beispiel kombiniert naturalistische Details mit einem dekorativen Gesamteindruck, was als typisch für den eleganten Stil der Brüder Limburg gilt.

Die Szene stellt zwar eine paradiesähnliche Landschaft dar, doch statt Adam und Eva sieht man zahlreiche Menschen, die aus Gräbern entsteigen. Sie schieben alle steinerne Platten oder auch Holzlatten zur Seite, die sich allerdings damals nur eine Minderheit für ein Begräbnis leisten konnte. Alle sind nackt, und es gibt keine Anzeichen für eine bestimmte Standeszugehörigkeit. Auch gibt es keine Jungen oder Alten, sondern alle Menschen werden im besten Alter um die 30 Jahre zum Gericht gerufen. Auch scheint es (noch) keine Trennung in Verdammte und Erlöste zu geben. Zwar trennt ein Fluss sowie eine hölzerne Wand, dann steinerne Mauer das Bild quer in zwei Bereiche, doch die Auferstandenen machen in beiden Bereichen einen frommen, entspannten Eindruck – niemand wird gequält; einige falten betend die Hände, andere blicken hoffend auf die Stadt. Die Stadt, das Himmlische Jerusalem, zeigt sich pars pro toto als ein vielgestaltiger Schlossbau. Die weißen Mauern lassen das gesamte Bauwerk wie aus Marmor erscheinen, künstlerischer Höhepunkt ist der ornamentierte Prunkturm, der im oberen Bereich an ein gotisches Sakramentshaus angelehnt ist. 

Eberhard König (Bearb.): Die Très Belles Heures de Notre-Dame des Herzog von Berry. 2. Handschrift Nouv. acq. lat. 3093 : Bibliothèque Nationale, Paris, Luzern 1992.
Eberhard König (Bearb.): Die Très belles heures von Jean de France, Duc de Berry. Ein Meisterwerk an der Schwelle zur Neuzeit, Wiesbaden 2005.
Rob Dückers, Pieter Roelofs: The Limbourg Brothers. Reflections on the origins and the legacy of three illuminators from Nijmegen, Leiden 2009.
Mathieu Deldicque (Hrsg.): Das meisterhafte Stundenbuch des Duc de Berry. Les Très Riches Heures. Belser, Stuttgart 2025.

 

tags: Buchkunst, Stundenbuch, Luxus, Schloss, Frankreich, Auferstehung, Gebrüder Limburg
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