Bernhard Kraus (1867-1935): Historismus-Fensterzyklus aus St. Blasius in Balve (um 1890)
St. Blasius ist die römisch-katholische Hauptkirche in Balve, eine Stadt am Rande des Sauerlands. In den ältesten Teilen geht der Bau an diesem Ort bis ins 12. Jahrhundert zurück, die heutige Erscheinung entstand maßgeblich 1910, als ein Erweiterungsbau nach dem Aachener Dom als dem großen Vorbild des deutschen romanischen Kirchenbaus entstanden ist. Für die Glasmalereien konnte man damals Altmeister Bernhard Kraus (1867-1935) aus Mainz gewinnen, der in der Kaiserzeit Hunderte von katholischen Kirchen und Kapellen mit Fenstern ausstatte, weit über sein Bistum hinaus. Von denen ging leider die Mehrheit im Zweiten Weltkrieg verloren oder wurde in den folgenden Jahren im Purifizierungswahn vernichtet. Glücklicherweise hat sich in Balve ein ganzer Kraus-Zyklus erhalten. Auf zehn Fenstern wird das Glaubensbekenntnis thematisiert, hier das Ende „und ein ewiges Leben. Amen“. Diese Worte finden sich auch auf dem Fenster der Südostseite, als Doppelfenster im Obergarden gegenüber des heutigen Eingangs.

Dort ist nicht nur das ewige Leben, sondern auch die ewige Verdammnis dargestellt, das Jüngste Gericht auf dem Fenster daneben. Zunächst erkennt man eine mittelalterliche Stadtmauer, von gelben Türmen unterbrochen. Die Szene darüber ist seit der Antike bekannt, wird aber in der Westkirche selten ins Bild gesetzt (etwa in Bourges): Es ist Abraham, begleitet von zwei Engeln, der mehrere Seelen (dargestellt als nackte Menschen) in einem Tuch wiegt, was sich als Abrahams Schoß darstellt – das biblische Bild hat sich sprachlich erhalten, wenn man davon spricht, sich „in Sicherheit zu wiegen“.

Auch der Gegenort der Unsicherheit ist dargestellt, ganz unten. Dort sperrt ein mittelalterlicher Höllendrachen sein Maul weit auf, um eine Gruppe von Verdammten zu verschlingen. Die Malerei ist noch gänzlich dem Historismus verhaftet, ohne Anklänge an Art Deco oder Jugendstil. Seine besondere Qualität ist auch die ornamentale Musterung: Kraus hat jedes seiner Fenster mit einer anderen Musterung versehen, gelegentlich mit originellen Einfällen: Hier geht die Musterung in ein schmiedeeisernes Gitter über, dass die Hölle vom Himmel abschließt.
Hans Menne (Hrsg.): Balve – Buch vom Werden und Sein der Stadt, Hamm 1930.
St. Blasius in Balve, Balve 2010.
Roland Pieper (Hrsg.): St. Blasius in Balve. Architektur im Spannungsfeld zwischen Romanik und Historismus, Balve 2011.



