Italienischer Meister: Ölmalerei „Jüngstes Gericht“ (1600-1650)

Darstellungen mit dem Himmlischen Jerusalem, die aus dem Mittelalter oder der Frühen Neuzeit stammen, befinden sich noch zu 85 Prozent am historischen Originalstandort, also in Kirchen, Kathedralen, Klöstern oder Pfarrhäusern. Weitere 13 Prozent werden in Museen oder Sammlungen aufbewahrt, davon wiederum der größere Teil, vor allem was Kupferstiche und Zeichnungen angeht, in Depots. Lediglich zwei Prozent befinden sich in Händen privater Sammler oder werden, wie im vorliegendem Fall, erst durch eine Auktion den Kunstinteressierten und Wissenschaftlern bekannt. Eines dieser seltenen Stücke ist eine Ölmalerei zum Thema des Jüngsten Gerichts bzw. Weltgerichts. Die Darstellung der menschlichen Anatomie, die gekonnte farbliche Teilung in hellere und dunklere Partien sowie vor allem die Komposition der Einzelszenen im Verhältnis zu einem ausgewogenem Ganzen verrät, dass wir es hier mit einem Maler akademischer Schulung zu tun haben. Es soll sich von der Herkunft um einen norditalienischen Meister gehandelt haben, der diese Arbeit jedoch nicht zwangsweise in Oberitalien, sondern genauso gut in Paris, Brügge oder Amsterdam hat ausführen lassen. Ähnliche Werke gibt es von Jacob de Backer, von Cornelis Corneliszoon van Haarlem oder von Crispin van den Broeck – vielleicht war der italienische Meister bei einem dieser Maler in die Lehre gegangen.
Die Größe des Werkes, 87 x 110 Zentimeter, deutet darauf hin, dass es aus einer Hand gefertigt wurde, kaum für eine Kirche, eher für einen wohlhabenden Geistlichen der höheren Ränge. Die Mode der Kleidung und die Auswahl bestimmter populärer Heiliger lässt den Schluss zu, dass es mit großer Wahrscheinlichkeit in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts hergestellt wurde.

Oben trennt Christus, darunter der Heilige Michael das Bild in zwei Teile. Auf beiden Seiten dominieren Massenszenen. Rechts werden Menschen zu bzw. bereits in einen Höllendrachen gezogen, rechts strömen sie mit eigener Kraft zur Pforte des Neuen Jerusalem. Es handelt sich um einen einfachen, ungeschmückten Rundbogen, der bereits offen steht und durch den die ersten Geretteten drängen. Diese Pforte, teilweise von Wolken verdeckt, saugt die Menschenmassen regelrecht an. Die meisten Menschen sind nackt und eher akzidentiell ausgeformt, mit einer entscheidenden Ausnahme: Links ist der Stifter der Malerei, ein Antonio di Borgnio, kniend mit gefalteten Händen zu finden. Sein Blick geht nicht nach Jerusalem, sondern ist dem Betrachter zugewandt, als wolle er diesen bitten, für sein Seelenheil zu beten – tatsächlich kann dies die ursprüngliche Intention dieser frommen Malerei gewesen sein. Auf die Fürbitte verweist auch die lateinische Beischrift in goldenen Lettern „Antonio di Borgnio dit(t)o prodet“.
Die Gestalt neben di Borgio ist der Heilige Antonius, also Antonius der Einsiedler, an seinem Begleiter, einem Schwein, auszumachen. Traditionell ist Antonius der Schutzpatron derer, die am „Antoniusfeuer“, also an Ergotismus erkrankten, woran vermutlich auch der Stifter gelitten haben könnte.

 

tags: Oberitalien, Weltgericht, Jüngstes Gericht
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