Domenico Pedrinelli: Dreiwegebild (um 1875)

Domenico Pedrinelli war ein italienischer Lithograph, Gebrauchsgrafiker und Kupferstecher, der um die Mitte des 19. Jahrhunderts mit einigen Arbeiten in Mailand nachgewiesen ist. Einige seiner Stiche haben sich in der Adalberto-Sartori-Drucksammlung in Mantua erhalten. Neben biblischen Szenen (Durchzug durch das Rote Meer; Verkauf der Brüder durch Joseph) kennen wir von ihm eine Darstellung der Schlacht von San Martino, dann einige Fabrikzeichnungen lombardischer Betriebe der 1840er Jahre sowie ein Dreiwegebild aus seinem Spätwerk, datiert auf um 1875. Gedruckt wurde der Bogen von der Galerie Piedro Baralli in Mailand. Die Auflagenhöhe ist nicht bekannt, doch es darf eine stattliche Höhe vermutet werden, da von diesem 43 x 33 Zentimeter großen Druck selbst im 21. Jahrhundert noch immer Exemplare auf Auktionen angeboten werden. Die hiesige Fassung entstammt der Sammlung des Mucem in Marseille (Inventarnummer 1950.39.724). Ein weiterer Hinweis auf eine hohe Auflagenzahl sind die Nachahmungen, etwa die spätere Fassung „Der Weg zum Paradies“ aus dem Verlag Eduard Gustav May (um 1890).
Pedrinelli musste Vorlagen aus dem deutsch- oder französischsprachigen Raum gekannt haben. Das belegt vor allem ein Vergleich der umfangreichen Beischriften, die hier detailgetreu ins Italienische übertragen wurden. Liest man auf einer französischen Fassung etwa „Je vais á Sion“ setzte Pedrinelli „Io vogio andar(e) verso Sione!“. Unten wurde dem Werk der Titel „La Via del Paradiso“ gegeben, wohingegen oben auf den Mauern die passendere Bezeichnung „La Nuova Gerusalemme“ zu finden ist, denn auf dem Blatt geht es nicht um das alttestamentarische Paradies, sondern um die Vision der Johannesoffenbarung aus dem letzten Buch der Bibel.

Domenico Pedrinelli war ein kreativer Illustrator; in seinem Werk lassen sich bemerkenswerte Besonderheiten entdecken. Links, wo die älteren Vorlagen mitunter drei Tore setzten (für jeden Weg eines) ist hier nur ein Haupttor zu finden, dessen Weg direkt in die Hölle führt. Die wenigen Geretteten müssen sich durch ein enges Dornentor winden, welches sich direkt unter dem gekreuzigten Christus findet. Die zeitgenössische Kleidung zeigt an, dass eine Datierung auf um 1875 angemessen ist. Rechts, noch vor dem Höllentier, reitet die Hure Babylon in Anlehnung an Cranach, aber mit einer wesentlichen Änderung: Die Tiara wurde durch einen Turban getauscht. Die Geretteten auf dem Weg nach oben wurden, im Unterschied zu den Vorlagen, katholisiert, man entdeckt jetzt einen Benediktinermönch und eine Kardinal.
Pedrinellis Qualität zeigt sich vor allem im oberen Drittel bei dem mächtigen Haupttor als dreibogiger Triumphbogen plus einem Dreiecksgiebel samt Seitentürmen, was den Bau Ausmaße eines Tempels verleiht. In den kleineren Bögen stehen Engel mit Palmzweigen, in dem Hauptbogen begrüßt Christus die Ankommenden. Der Giebel darüber ist mit dem Trinitätssymbol verziert, noch weiter oben sorgen Engel für himmlische Musik. Vielgestaltig und abwechslungsreich sind vor allem die Bauten des Himmlischen Jerusalem seitlich der Himmelspforte. Hier schieben sich Wohnbauten, Kirchen, Türme und Giebel zu einer undurchdringlichen Stadtlandschaft aneinander, die bei den Dreiwegebildern einen Höhe- und Endpunkt markieren.

 

tags: Italien, Lombardei, Mailand, Hure Babylon, Lithographie, Gebrauchsgrafik, Zweiwegebild, Dreiwegebild, Trinität
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