Symbol der Shinchonji-Gemeinschaft (um 2000)

Die Shinchonji-Gemeinschaft lautete mit offiziellem Namen „Shinchonji Church of Jesus, the Temple of the Tabernacle of the Testimony“ und ist hauptsächlich in Südkorea aktiv. Shinchonji ist ein koreanisches Wort und bedeutet „Neuer Himmel und Neue Erde“ – es ist also bereits im Namen ein Bezug zum Himmlischen Jerusalem vorhanden. Die zwölf Stämme Israels und das Neue Jerusalem spielen in dieser stark apokalyptisch und millenaristischen Gemeinschaft eine zentrale Rolle, die von einer Naherwartungshoffnung der Wiederkehr Christi um das Jahr 2000 geprägt war. Häufig sind in Publikationen und auf Onlineseiten weltweit zwei Graphiken zu finden, die dem Himmlischen Jerusalem gewidmet sind. Es wird auch als eine Art „Logo“ der Gemeinschaft verwendet, die damit die erste christliche Glaubensgemeinschaft ist, deren Erkennungsmerkmal das Himmlische Jerusalem ist.
Beide Graphiken, deren Künstler nach Auskunft der Gemeinde selbst, namentlich nicht bekannt sind, haben den Titel „Festung des Neuen Jerusalem“. Im Zentrum befindet sich ein aufgeschlagenes Buch (die Bibel), die erst von einem kleinen Kreis, dann von einem Quadrat umgeben ist. In den Ecken des Quadrats befinden sich jeweils Bäume, die rote Früchte tragen. Zählt man die Früchte der vier Bäume zusammen, so kommt man exakt auf die Zahl Zwölf. Zwischen ihnen fließt das hellblaue Wasser des Lebens zu je drei Toren in jeder Himmelsrichtung. Umgeben ist das Ganze von einem schützenden, doppelten Kreis.

Diese Graphik ist eine dreidimensionale Umsetzung dieses Aufbaus. Sie ist mehr realistisch ausgerichtet, was man etwa an dem plastischen, dreidimensionalen Mauerzug sieht, von dem aus es geheimnisvoll blinkt. Auch die Bäume sind hier nicht schemenhaft wie ein Symbol eingezeichnet, sondern naturalistischer. Um den äußeren Schutzkreis sind die Kontinente eingezeichnet, dieses Jerusalem kommt genau auf Korea nieder, was sicherlich kein Zufall ist. Fliegende weiße Friedenstauben und wehende Fahnen beleben die Szenerie und machen diese Grafik zu einem der populärsten Bilder der Shinchonji-Gemeinschaft.

Die Beliebtheit des Motivs innerhalb der Shinchonji-Gemeinschaft belegt Folgendes: In ihren Veranstaltungen wurde das Neue Jerusalem sogar realistisch, so weit man das von diesem Motiv sagen kann, aufgebaut und die Apokalypse szenisch nach- bzw. vorgespielt. Zu sehen ist eine quadratische, 7 x 7 Meter große Platte, der die zweite Zeichnung zur Vorlage diente. Die Holzkonstruktion war begehbar, echte Menschen „bevölkerten“ dieses Neue Jerusalem, von dem ein blauer Teppich als Lebensfluss bis in den Gemeindesaal ausgelegt war und diese geistig befruchten sollte. Die Gemeinde steht andachtsvoll, in Uniform gekleidet, um das Neue Jerusalem, das nur von Geistlichen und von Fahnenträgern betreten werden durfte. Die Inszenierung war ein frühes Beispiel für ein Reenactment (Nachstellung historischer Themen) im religiösen Kontext, bei dem Zuschauer zu Mitspielern werden dürfen, sich dabei aber an eine eingeübte Choreographie halten müssen. Das Ganze wurde auch auf Film gebracht und war später im Internet zu sehen, um damit möglichst eine hohe Zahl von Interessierten zu erreichen.

Manhee Lee: The creation of heaven and earth. Gn 1:1, Rv 21:6, Gwacheon 2009.

 

tags: Reenactment, Korea, Lebensbaum, Freikirche, Sekte
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