
John Steczynski erarbeitete zwischen 1996 und 1998 eine umfangreiche Serie zur Apokalypse, die 1999 unter dem Titel „A New Vision of St. Johns Apocalypse“ („Eine neue Vision von der Apokalypse des Johannes“) in der Lied Art Gallery der Creighton University in Omaha (New England) der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Steczynski erstellte überhaupt gerne Serien, die für ihn Entwicklung symbolisierten und den Lebensweg als eine Art Liturgie verstehen lassen. Sein Apokalypsezyklus besteht aus 42 Blättern, wovon das hier vorgestellte die Nummer 38 ist, „John is shown the New Jerusalem descending from Heaven“ („Johannes wird das vom Himmel kommende Neue Jerusalem gezeigt“). Es basiert auf Tinte und Tusche. Während andere Arbeiten dieser Serie koloriert sind, lebt Blatt 38 allein von bräunlichen Hell-Dunkel-Kontrasten. Selbst das Himmlische Jerusalem, das ja aus farbigen Edelsteinen und Gold bestehen soll, ist allein als hellgraue Lichterscheinung oben rechts zur Darstellung gebracht. Es ist mit Blumengirlande außen geschmückt und mit einer Kuppel bekrönt, wie der Wiener Secessionsbau von Joseph Maria Olbrich. Als ein Gegenpol sind der Engel und Johannes gegenüber unten auf einem Fels positioniert. Eine Besonderheit ist hierbei, dass Johannes auf seinem Felsen unbekleidet belassen wurde. Tief unten erscheint das Meer, wodurch der weiße Fels bei einem Betrachter ohne Vorkenntnisse die Assoziation eines Eisbergs hervorzurufen vermag.
Im Vergleich mit anderen zeitgenössischen Arbeiten erscheinen die Malweise und der Stil Steczynskis wie aus der Mitte des 19. Jahrhunderts; Ähnlichkeiten zu den Werken von Schnorr von Carolsfeld oder Gustave Doré sind unverkennbar und gewollt. John Steczynski (geb. 1936) lebt als ehemaliger Katholik und bekennender Homosexueller mit seinem Freund Edward Baker zusammen in Cape Cod, einer Halbinsel im Südosten von Massachusetts. Er hat Liturgiekunde an der Universität von Notre Dame (abgeschlossen 1958) sowie Malen und Zeichnen an der Yale University (abgeschlossen 1961) studiert. Anschließend unterrichtete er Kunst, von 1988 bis zu seiner Emeritierung 2001 als Professor des Fine Arts Department am Boston College.
John Steczynski: Tradition, creativity and the liturgical artist, in: Religion and the Arts, 1, 4, 1998, S. 23-39.
John Steczynski: On envisioning the Book of Revelation. Text, context and image, in: Pamela Berger, Jefferey Howe, Susan A. Michalczyk (Hrsg.): The plume and the palette, New York 2001, S. 201-216.