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Sieger Köder (1925-2015): Gemälde „Ich sah das neue Jerusalem wie eine Braut“ (1992)
Sieger Köder, geboren 1925, hatte 1946/47 an der Fachschule für Edelmetall in Schwäbisch Gmünd studiert, danach bis 1951 Malerei und Kunstgeschichte an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. Später, Mitte der 1960er Jahre, begann er mit vierzig Jahren ein Theologiestudium in Tübingen und trat 1969 ins Priesterseminar Rottenburg ein. 1971 wurde er zum Priester geweiht und wurde bekannt als „Pfarrer, der mit den Bildern predigt“. Am 9. Februar 2015 ist er verstorben.
Unter den „malenden Pastoren“ nimmt er eine zweifache Sonderrolle ein: Köder ist einer der ganz wenigen Künstler-Theologen, der sowohl eine theologische wie auch eine künstlerische Ausbildung hatte. Zudem war er, nimmt man die Preise auf dem Kunstmarkt, die Zahl der Ausstellungen und Publikationen als Indikator, der vielleicht erfolgreichste Malertheologe aller Zeiten.
Wie viele seiner Werke zeichnen sich auch seine verschiedenen Darstellungen des Neuen Jerusalem durch expressive Farbfröhlichkeit aus, die an Marc Chagall (1887-1985) anlehnen. Dieses frühe Gemälde entstand noch vor der Malerei im Kloster Neresheim (2000), dem Bad Uracher Altar und dem Glasfenster der Aussegnungshalle in Hohenmemmingen (beide 2005). Vorbild war allein der später „Köderaltar“ genannte Altar der Kirche Mater Dolorosa in Rosenberg, der in seiner ersten Fassung 1986 fertiggestellt war.
Johannes sitzt auf einem Felsen (Insel), umgeben vom blauen Meer und weiterer solcher Felsen-Inseln im Hintergrund. Über seinem Haupt erscheint die runde, gelbfarbene Gottesstadt. Zu erkennen sind gewaltige Blöcke: die Tore der Stadt. Sie sind aber nicht klar durch eine Mauer verbunden, sondern der rotfarbene Hintergrund drängt an verschiedenen Stellen in die Stadt vor. In dieser Stadt versammeln sich vielfache Hände, dann auch ein weibliches und männliches Gesicht – die ist vielleicht die deutlichste Analogie zum Altar von Mater Dolorosa. Zusätzlich erscheint ein Strauß roter Blumen, womit auf das Hochzeitsmotiv hingewiesen wird.
Sieger Köder bringt das jahrtausendealte Thema in einem neuen, expressiven Gewand, ohne auf die traditionellen Darstellungsweisen völlig zu verzichten. Durch die gewaltige Feuerwolke, in der das Neue Jerusalem erscheint, wird das visionäre Geschehen erfasst, ohne ins Gewalttätige, Bedrohliche zu verfallen. Das liegt vor allem an der meditativen Haltung der entspannt sitzenden Figur, wie auch an den freundlichen Gesichtern in der Stadt. Positives überwiegt; verzichtet wurde auf das Untergehen der ersten, alten Schöpfung.
Das Gemälde ist heute vielleicht das bekannteste Köderbild. Zahlreiche Nachweise im Internet belegen dies. Das Werk wurde vor allem bekannt, da es zur Illustration einer katholischen Einheitsübersetzung, der Sieger-Köder-Bibel (1992), ausgewählt wurde (Abb. zwischen S. 1232 und 1233). Zusätzlich gibt es Fassungen als Postkarte und Wandkalender – oftmals in hohen Auflagen. Was fehlt? Eine kritische wissenschaftliche Biographie, die Köders Theologie und Kunst in den größeren Kontext über Schwaben hinaus einordnet. In einem solchen Werk wird Köders Lieblingsthema, das Neue Jerusalem, eine besondere Stellung einnehmen – man darf gespannt darauf sein.
Die Bibel. Mit Bildern von Sieger Köder. Einheitsübersetzung, Ostfildern 1992.
Joachim Wagenblast: ‚Ich kann mit meinen Bildern predigen!’ Die Malbotschaften von Sieger Köder, in: Schwäbische Heimat, 56, 3, 2005, S. 321-326.
Eckhard Scheiderer, Hermann Sorg: Auf den Spuren der Kunst von Sieger Köder im Ostalbkreis, Ostfildern 2000.
Gertrud Widmann (Hrsg.): Die Bilder der Bibel von Sieger Köder. Erschließende und meditative Texte, Ostfildern 2004 (11).
Johannes Kreidler, Erwin Teufel (Hrsg.): Farben des Lebens – Sieger Köder, Ostfildern 2006 (2).
Magdalen Lawler: Christ our morning star. The art and inspiration of Sieger Köder, Slough 2012.
Martina Pahr: Der Maler-Pfarrer aus Aalen. Monsignore Sieger Köder, in: Schöner Südwesten. Das Beste aus Schwaben und Baden, Tübingen, 34, 3, 2020, S. 78-81.
Beitragsbild: Schwabenverlag