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Kacheln und Fliesen wurden seit ihrer Erfindung bemalt, die vorherrschenden Farben waren Grün und Blau. Daneben gab es immer wieder lokale Konjunkturen; so war es in Holland im ersten Viertel des 19. Jahrhundert populär, Fliesen mit einheitlicher brauner Färbung zu bemalen. Das nach wie vor populärste Thema waren biblische Szenen, bei denen Kupferstiche aus historischen Bibeln als Vorlage oder Muster herangezogen wurden. Meistens ist es so, dass Massenware sich kaum erhalten hat, da Sammler oder Museen sie nicht beachteten. Das gilt vor allem für Fliesen, die nicht als Kunstwerk, sondern als Gebrauchsgegenstand betrachtet wurden. Das erste Beispiel ist eine sogenannte Bibelfliese aus einem Kachelofen in Harlingen, eine friesische Küstenstadt. Der Hersteller hat sich hier an die „Statenbijbel“ von Johannes Enschede (Haarlem 1796) gehalten, aus der mehr als zehn weitere Motive für Bibelfliesen bekannt sind.
Schwieriger die Vorlagen zu bestimmen ist es im zweiten Beispiel, welches aus einem bürgerlichen Wohnhaus in Rotterdam entstammt. Die Umrisszeichnungen sind mit freier Hand schnell und ungelenk aufgemalt, möglicherweise handelte es sich um Kinderarbeit. Vor allem die annähernd quadratische Stadt mit vier eigenartigen Segmentbögen unter der vorderen Mauer und auch die hingekritzelten Häuser (?) oder der Zionsberg (bzw. das Lamm?) in der Stadtmitte stützen diese Annahme. Von erwachsener Hand ist die untere Beischrift, die auf die Johannesoffenbarung Kap. 21 und 22, Vers 9 verweist. Kenner dieser Fliesen konnten bislang keine niederländische Bibelausgabe als Vorlage auffinden, sondern ein auch in den Niederlanden gebräuchliches Gesangbuch in von Jakob Schollenberger aus dem Ende des 17. Jahrhunderts.
Hans Werner Jessel: Fliesen-Bilderbuch, Flensburg 1963.
Jan Pluis: Bijbeltegels. Bijbelse voorstellingen op Nederlandse wandtegels van de 17e tot de 20e eeuw, Bibelfliesen. Biblische Darstellungen auf niederländischen Wandfliesen vom 17. bis zum 20. Jahrhundert, Münster 1994.
Klaus Tiedemann: Biblische Geschichten in Delfter Blau. Niederländische Bibelfliesen von 1650 bis 1850, Heidelberg 1998.
Jede Fliese erzählt eine Geschichte. Die Wanderausstellung ‚Bibelfliesen’, in: Ostfriesland-Magazin: Zeitschrift für Land und Inseln zwischen Dollart und Jadebusen, 12, 2003, S. 36-37.
Kurt Perrey, Jan Pluis: Fliesenbibel. Biblia: Gute-Nachricht-Bibel. Das Buch der Bücher mit den Bibelfliesen. Altes und Neues Testament mit ausgewählten Spätschriften des Alten Testaments (Apokryphen) und biblische Darstellungen auf Fliesen seit dem 17. Jahrhundert, Weener 2008.