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Theo M. Landmann (1903-1978): Betonglasfenster der Kirche St. Thomas in Bohmte (1969)
Anfang der 1950er Jahre wurde in Bohmte (Landkreis Osnabrück) durch Bevölkerungswachstum und Zuzug ostpreußischer Protestanten ein evangelischer Kirchenbau möglich. Das Schiff der St.-Thomas-Kirche wurde durch den Architekten Werner Johannsen errichtet, der Turm durch den Zimmermeisters Gustav Ellermann und die Fenstergestaltung durch den Glasmaler Theo M. Landmann (1903-1978). Dafür sollte es aus Kostengründen jedoch einige Jahre dauern, zunächst hatte die Kirche eine Einfachverglasung ohne figürliche Motive. Dass später hochwertigere Fenster eingesetzt werden sollten, stand bereits bei Baubeginn fest. Schon 1954 tauschten sich Johannsen und Landmann über das angehende Projekt aus: „Die neue Kirche wird nicht nur optisch, sondern auch künstlerisch das Ortsbild mitbestimmen. Äußerlich ist eine traditionelle Erscheinungsweise vorzuziehen, doch im Inneren wird eine moderne, unserer heutigen Zeit angemessene Formensprache zu bevorzugen sein. (…) Engel, Hirten mit Schafen auf Weiden oder ähnliches sind ungeeignet. Wir hoffen von Ihnen (gemeinst ist Landmann) auf eine überzeugende Aussage unseres Glaubens, wie Sie es andernorts immer wieder demonstrieren. Da kann weniger manchmal mehr sein“. In der Arenshorster Gemeinderatssitzung musste aus Kostengründen von dem Vorhaben zunächst Abstand genommen werden, doch Pfarrer Rudolf Steinmetz vereinbarte schon damals, das Vorhaben „nach Klärung der Finanzierung“ so bald als möglich wieder aufzunehmen. Es dauerte dann doch bis Ende der 1960er Jahre.
Die Planung und Umsetzung einschließlich des Ausbaus der alten und Einbaus der neuen Fenster in den Bestand vollzog sich dann von 1967 bis 1970. Die Zeitangaben variieren, vermutlich wurde die Fensterwand von 1967 bis 1968 gestaltet, das Jerusalemsfenster im Sommer 1969 und die feierliche Einweihung fand im März 1970 statt. Es handelt sich bei der Fensterwand (zu den vier Ereignissen Geburt Christi/Weihnachten, Passion/Karfreitag, Auferstehung/Ostern und Pfingsten) wie bei dem Jerusalemfenster um in Beton gegossenes Dallglas, also opakes Gussglas in kräftigen, fast neonartigen Farbtönen. Hergestellt wurde das spezielle Glas in genau 84 differenzierten Farbtönen von der Osnabrücker Firma G. Deppen & Söhne, mit der Landmann, der ebenfalls in Osnabrück sein Atelier hatte, regelmäßig zusammenarbeitete.
Unmittelbar nach Betreten der Kirche, noch vor dem eigentlichen Gemeindesaal, öffnet sich ein kleiner, intimer Raum. Hier gestaltete Landmann einen blockartigen Altar mittels blau glasierter Keramikplatten (analog zu dem Taufstein mit roten Platten).
Auf diesem Altar lag viele Jahre das Gedenkbuch aus, in dem die Verstorbenen der Gemeinde verzeichnet waren – aus Gründen des Datenschutzes ist diese Tradition in Deutschland leider nicht mehr möglich. Die dahinter liegende Verglasung (178 x 210 Zentimeter „Ewigkeitsfenster“ oder „Fenster vom ewigen Leben“ genannt) muss in einem inneren Zusammenhang mit dem Gedächtnisaltar gesehen werden: Hier präsentiert sich der neue Lebensort der Verstorbenen, das Himmlische Jerusalem:
Das obere Fenster setzt sich aus gut 180 Scheiben zusammen, und dennoch ist es Landmann gelungen, mit dieser geringen Zahl alle wesentlichen Merkmale des Himmlischen Jerusalem zur Darstellung zu bringen. Man findet an jeder Himmelsseite drei Tore, dazwischen goldgelbe Scheiben, welche die Stadtmauer andeuten. Im Inneren schweben zwölf weißblaue Scheiben: die Perlen der Stadt. In ihrer Mitte stehen das Alpha und Omega, was auf die göttliche Präsenz in der Stadt verweist. Von hier geht der Fluss des Lebens aus, allein durch vier horizontale Scheiben markiert. Deutlich fallen die mächtigen, kantigen und je nach Lichteinfall blinkenden Glasbrocken ins Auge; es sind die Edelsteine als Fundament der Stadt. Diese Glasbrocken ragen, wie auch andere Elemente, bis zu 15 Zentimeter in den Raum, das Glasfenster wird ansatzweise zur Glasskulptur. Diese Auskragungen rufen einzigartige Lichtspiegelungen und Reflexe hervor, die man nur mit hochwertigem Dallglas erzeugen kann. Die zweite, untere Hälfte dieses Fensters ist leider durch den Altar verstellt. Der Künstler hat dort den Lebensbaum eingefügt. Es ist allerdings möglich, dieses untere Fenster (seitenverkehrt) von außen zu betrachten, denn die Fenster sind von Landmann bewusst so gestaltet worden, dass sich ihre Motive, besonders schön bei abendlicher Innenbeleuchtung, auch von außen erkennen lassen.
Die Fenster wurden nach Einbau und feierlicher Einweihung in der Tagespresse, in Gemeindeprotokollen und Fachzeitschriften durchaus gelobt: „Ganz Bohmte grüßt überglücklich die Vollendung, auf die wir so sehnsüchtig warteten“ (F. Otto-Knapp). Betont wurden die „Leuchtkraft der Farben, die Harmonie des Raumes“ (Hans-Dieter Schorege) oder der Bau wurde als wegweisend für die Moderne gesehen „mit Fenstersegmenten, die sich nicht im Kleinteiligen verlieren, sondern dem hellen Raum eine würdige Rahmung in Beton verleihen, was ihn durchaus mit den Werken von Gerhard Hausmann und Curth Georg Becker messen lässt“ (R. Klée Gobert). Der damalige katholische Pfarrer K. Boitmann soll bei Betreten gesagt haben: „Ihre neue Kirche zwingt mich in die Knie“. Mündlich soll es, laut Friedrich Davidsmeyer, auch Kritik gegeben haben, die sich aber in schriftlichen Quellen nicht finden lässt – schnell gewöhnten sich die Gemeindemitglieder an ihre Kirche, deren Kunst sogar einmal von der Bischöfin Margot Käßmann (2005) und später als „ökumenische Bilderbibel“ in einem eigenen Band gewürdigt wurde.
Karl-Heinz Kuhlmann (Hrsg.): 900 Jahre Bohmte, 1074-1974. 1074 Bamwida, 1074 Bamwide, 1088 Bomwede, 1596 Boemwedde, 1624 Boempte, 1640 Bomte, 1723 Bohmte, Ostercappeln 1973.
Chronik 50 Jahre Evangelisch-lutherische Kirche St. Thomas in Bohmte. 50 Jahre 1955 – 2005, Bohmte 2005.
Friedrich Davidsmeyer: 50 Jahre evangelisch-lutherische St. Thomas-Kirche in Bohmte, in: Heimat-Jahrbuch. Osnabrücker Land, Georgsmarienhütte, 2006, S. 284-290.
Margarete Schoreg, Hans-Dieter Schoreg: Die St.-Thomaskirche in Bohmte. Meisterwerk einer ökumenischen Bilderbibel im Osnabrücker Land, Bramsche 2009.