Ludvík Kolek (1933-2021): Malerei „Neues Jerusalem“ (1972)

Malereien außerhalb von Kirchen mit dem Motiv des Himmlischen Jerusalem waren in den 1970er Jahren selten; Ausnahmen waren Werke von Karen Laub-Novak, Max Huber, Karl Heinz Wagner oder Robert Charles Clark. Besonders gilt das für die sozialistischen Länder, wo private Sakralkunst zwar nicht behindert, aber auch nicht gerne gesehen und keinesfalls gefördert wurde. So ist die Ölmalerei „Neues Jerusalem“ („Nový Jeruzalém“) von Ludvík Kolek nicht nur für die einstige Tschechoslowakei eine seltene Ausnahme. Kolek hatte 1955 ein Studium der Kunstpädagogik an der Brünner Fakultät für Bildungswissenschaften abgeschlossen, wurde jedoch aufgrund seiner christlichen Überzeugung nicht als Lehrer zugelassen. Daher schlug er den Weg des freischaffenden Malers ein und schuf Wandgemälde, Skulpturen, Entwürfe für Buntglasfenster (Glasrelief für eine Sporthalle in Tábor), Umbauten von Kircheninnenräumen und später auch Projekte von über fünfzig Sakralbauten für die römisch-katholische Kirche (Křižanov, Senetářov, Klobouky, Zábrdovice, Hustopeče, Horní Libochová, Ruprechtov).
In den 1970er Jahren entwickelte Kolek eine Technik zum Sprühen von Ölfarbe, die er „Verdampfung“ nannte. Die auf diese Weise erzeugten Bilder erwecken den Eindruck von Strahlung oder subtiler Durchsichtigkeit. In den meisten Fällen ist das Hauptthema das Licht, das die Masse der imaginären Schichtebenen durchdringt, in einigen Fällen haben die Bilder spezifische Bedeutungen, wie hier das Himmlische Jerusalem. Unten erscheinen in der Feuerglut schwarzbraune Ruinen. Darüber schwebt eine Art gewaltige Krone, womit an die Krone der Märtyrer erinnert ist. Ihre spitzen Zacken oder Kronen dominieren das Bild und geben ihm eine expressionistische Note. Die Krone ist mit neun Kreisen geschmückt, die wie Augen geheimnisvoll den Betrachter anzusehen scheinen.
Diese Beschreibung lehnt sich eng an Worte des Künstlers, der ergänzt: „Zu dieser Zeit (als das Bild entstand) beschäftigte ich mich mit den Schriften von Teilhard de Chardin, eines Jesuiten, aber auch Philosophen. Seine Aufgabe, den im Wesen angelegten Widerspruch zwischen Geist (Gott) und Materie (Schöpfung) zu versöhnen, versuchte ich mit künstlerischen Mitteln umzusetzen. Fragen von Werden und Vergehen, vom Dualismus der Schöpfung und Überlegungen zu weiterem Fortschritt der göttlichen Offenbarung in der Materie führten mich zwangsläufig zu dem Thema der Neuschöpfung, der Wiederkehr des Paradieses, dem Erscheinen des heiligen Jerusalem“.
In ausdrücklicher Anlehnung an die mittelalterliche Praxis, dass Bilder nicht signiert oder datiert wurden, ist auch dieses Gemälde ohne Namen belassen – obwohl, im Gegensatz zum Mittelalter, sein Schöpfer natürlich bekannt ist.

Ludvik Kolek. Museum voor religieuze kunst, Oostende, van 22 december 1979 tot 6 januari 1980, Oostende (1979).

 

tags: Tschechoslowakei, Expressionismus, Krone
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