Im Gegensatz zu den meisten Kirchen Württembergs, die auf mich heute aufgeräumt und steril wirken, macht die Johanneskirche in Bernhausen (südlich von Stuttgart) eine seltene Ausnahme – hier tobt(e) das Leben: Kunstgegenstände finden sich im ganzen Raum, gegenüber dem Altar kann man in einer Sitzecke ruhen oder plaudern, Musiker proben hier, vor einer Leinwand finden Vorträge statt, immer wieder laufen Kinder der Kita des Nebenraums durch den Raum – die hier selbstverständlich kurz den Raum für die Aufnahme verlassen mussten. Man muss sich diese Kirche also mit Menschen gefüllt vorstellen.

Menschen sind auch das Thema der Malerei auf der Altarwand, die Wolf-Dieter Kohler (1928-1985) 1965 ausführte. Anders als bei Wandmalereien seines Lehrers Rudolf Yelin ist hier nicht nur der Entwurf von Kohler, sondern jeder Pinselstrich. Kohler hat von Februar bis Mai in dem noch ungeheizten Raum gearbeitet und gelegentlich auch übernachtet, um das Werk noch fristgerecht fertigzustellen. Zu sehen sind zahlreiche Menschen auf dem Lebensweg zum Himmlischen Jerusalem. Es sind Bernhausener Gemeindemitglieder, deren Portraits Kohler hier verewigt hat. Einige sitzen bei Tisch, andere tragen ihre Kinder – man muss nicht zwangsläufig in diesen Szenen „biblisches“ wie das Abendmahl oder die Taufe hineininterpretieren; diese Malerei bleibt überwiegend frei von biblischer oder christlicher Symbolik.

Etwas konkreter wird es allerdings im oberen himmlischen Bereich: die Menschenmasse korrespondiert hier mit den vierundzwanzig Ältesten, versammelt um Christus, der gerade von seinem Thron aufgesprungen ist. Über ihm reihen sich die zwölf Tore Jerusalems aneinander, einfachste Blöcke ohne irgendwelchen Schmuck, durchgängig vor türkisblauem Hintergrund oder, an den Seiten, Türkisblau gefüllt.
Diese himmlische Welt formuliert ein Quadrat (ebenfalls türkisblau), von dem aus sieben Engeln mit Posaunen mit der unteren Welt kommunizieren, indem sie zum Gericht rufen. 

Wegweiser der evangelischen Kirchengemeinde Bernhausen/Filder. Jakobuskirche + Johanneskirche, Gerlingen 1973.
Ihre Kirche auf den Fildern – für Sie, mit Ihnen, füreinander, Filderstadt (2001).
Christa Birkenmaier (Hrsg.): Wolf-Dieter Kohler, 1928-1985. Leben und Werk, Petersberg 2021.