Französische Geschichtsbibel (um 1420)

Die „Bible Historiale“ des Guyart des Moulins (geb. 1251) war zunächst noch ohne Apokalypse, wurde aber bald vervollständigt und mit entsprechenden Illustrationen verschönert. Die Königliche Bibliothek zu Brüssel besitzt eine zweibändige Edition dieser Geschichtsbibel, die mit damals modernen Miniaturen ausgestattet wurde. Sie entstand um 1420 in Paris und tauchte erstmals 1467 im Inventar von Philipp dem Guten (1396-1467) auf, bis sie im 19. Jahrhundert in die Bibliothèque Royale de Belgique gelangte. Ihre dortige Signatur ist MS 9002.

Fol. 383v lässt die himmlische Erscheinung wie hinter einem Vorhang erscheinen. Die angesprochene Modernität zeigt sich daran, dass auf den vergoldeten Hintergrund ebenso verzichtet wurde wie auf Elemente eines Weltgerichts; so ist beispielsweise die Hölle gar nicht mehr thematisiert. Auch die Stadt hat eigentlich kaum etwas zu bieten, was sie als Himmlisches Jerusalem markiert, außer vielleicht der Tatsache, dass es sich um eine im Himmel schwebende Stadt handelt. Der Zuschauer Johannes, zusätzlich durch sein Adler-Symbol gekennzeichnet, wird von einem blau gekleideten Engel auf die Erscheinung hingewiesen. Wie selten zu finden ist der Engel hier deutlich kleiner gezeichnet als der Seher von Patmos, auch sein Gewand ist weniger prächtig als das des Johannes, der sogar noch durch einen Heiligenschein hervorgehoben ist. Der Baum rechts ist nicht der Lebensbaum, sondern er gehört zu der Naturwiedergabe, die den Künstler auch in der unteren Bildhälfte und bei anderen Miniaturen beschäftigte. Das Himmlische Jerusalem ist als Klosteranlage in den Formen der Reformabtei Cluny nach ihrem Ausbau (Cluny III) skizziert, und vielleicht ist es kein Zufall, dass ihr Abt von 1400 bis 1416, Raymond II. de Cadoène, aus Burgund stammte, wo auch diese Handschrift entstanden ist.

Samuel Berger: La Bible française au Moyen Âge. Étude sur les plus anciennes versions de la Bible écrites en prose de langue d’oil, Paris 1884.
Samuel Berger: De l’histoire de la Vulgate en France. Leçon d’ouverture faite le 4 novembre 1887, Paris 1887.
Notice 189 (p. 445-450). Ms 9001, 9002, in: Camille Gaspar, Frédéric Lyna: Les principaux manuscrits à peintures de la Bibliothèque royale de Belgique, 1, 2, Paris 1937, S. 89-91.
F. Vieillard: Compte rendu de l’édition de la Bible du XIIIe, in: Romania. Revue trimestrielle consacrée à l’étude des langues et des littératures romanes, 109, 1988, S. 131-137.
Wilhelmina C. Wüstefeld: Manuscript painting in the circle of the Master of Catherine of Cleves (ca. 1435-60). Tradition and context of Utrecht, Museum Catharijneconvent, Ms. A B M h15, in: Jeffrey F. Hamburger, Anne S. Korteweg (Hrsg.): Tributes in honor of James H. Marrow. Studies in painting and manuscript illumination of the Late Middle Ages and Northern Renaissance, London 2006, S. 585-599.

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