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Werner Peiner (1897-1984): Apokalypsezyklus (1948)

Mit einem Blick erfasst man sogleich, wer bei diesem Gemälde Pate stand: Holzschnitte der Reformationszeit, wie von Lucas Cranach, Hans Holbein, Hans Sebald Beham und natürlich Georg Lemberger. Deren Bibelillustrationen waren, wenn überhaupt, unterschiedlich koloriert, was hier nochmals eine Steigerung erfahren hat. Die rechte Seite hat von unten nach oben mehrere Farbschichten: die alte Erde, der Regenbogen, die himmlische Stadt und die Gloriole. Als Kontrast ist der gegenüber liegende Felsen braun und grau belassen. Auch an anderen Stellen zeigt sich die meisterhafte Beherrschung von Farbe und Form: Die Flügel des Engels etwa nehmen den Bogen der Gloriole auf und stärken die Dynamik der Schwingung. Die Stadt ist eine schier unendliche Aneinanderfügung von Bauten, ein Meer von Häusern, aus denen immer wieder markante Tempel und Kirchen auftauchen, darunter der Felsendom, der zu diesem Zeitpunkt eigentlich noch keine vergoldete Kuppel hatte. Nach vorne strukturieren weiße Blöcke die Stadtmauer, es sind Toranlagen mit Doppeltürmen, angelehnt an das Ischtar-Tor, eines der Stadttore von Babylon. Von Tor zu Tor schiebt sich ein Farbband: die Stadtmauer, aus Edelsteinen erbaut.

Die Malerei hat einen Zug ins Gigantische, Überhöhte, Heroische. Kleine Irritationen, Humor oder pittoreske Szenen sucht man hier vergeblich, alles ist auf die Schau der beiden Hauptfiguren hin ausgerichtet (Johannes der Seher und der ihm erschienene Engel auf Patmos), als würde es außer den beiden und ihrer Schau nichts weiter auf der Welt geben, und vielleicht existiert im Moment der Niederkunft der Stadt tatsächlich nicht mehr viel. Die Darstellungsweise war damals modern, vergleicht man sie mit ähnlichen Malereien von Otto Adolph Stemler oder von Clyde Provonsha.
Es handelt sich bei dem Gemälde um einen Zyklus, der aus nicht weniger als 25 Gemälden besteht. Sie alle haben die Größe von 64 x 50 Zentimeter. Entstanden ist dieses Bild als letztes der Serie, im Jahr 1948. Soweit mir bekannt, ist es der erste Apokalypsezyklus nach 1945. Es handelt sich um eine Arbeit von Werner Peiner (1897-1984), der damals anscheinend das Religiöse entdeckte. Peiner war (ab 1933) als Professor für Monumentalmalerei an der Düsseldorfer Kunstakademie Experte nicht allein für großflächige Werke, sondern für Darstellungstechniken des Gigantischen. Seine Karriere im Nationalsozialismus ist gut erforscht, vor allem die Gründung seiner „Hermann-Göring-Meisterschule für Malerei“ in Kronenburg/Eifel und die Umstände seiner Aufnahme in die Gottbegnadeten-Liste. Einer seiner Schüler war Heinz Hindorf, der später das Himmlische Jerusalem auf viele Glasfenster westdeutscher Kirchen brachte.
So gut wie fast alle Forschungen zu Peiner untersuchen die Zeit bis 1945, danach wird es still. Was Werner Peiner nach 1945 schuf, ist kaum dokumentiert. So war bislang sein Apokalypsezyklus so gut wie unbekannt. Was seine Motive waren, die zu diesem Werk führten ist ebenso offen wie der Verbleib der übrigen 24 Malereien. Vermutlich sind sie in Privatbesitz, da Museen und öffentliche Sammlungen nach 1945 kaum mehr Werke des ehemaligen Gottbegnadeten ankauften.

Volker Dick: „Stille Insel im schäumenden Meer“: der NS-Maler Werner Peiner findet Zuflucht im oberbergischen Gimborn, in: Romerike Berge, 53 , 2003, S. 20-28.
Manfred Thiel (Hrsg.): Werner Peiner. Ein Künstlerleben in Sturm und Stille. Eine Autobiographie, Heidelberg 2004.
Wolfgang Brauneis, Raphael Gross (Hg.): Die Liste der „Gottbegnadeten“: Künstler des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik, London (2021).

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Beitragsbild: Van Ham

tags: Drittes Reich, Apokalypsezyklus, Monumentalmalerei, Privatsammlung
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