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1533, Weltgericht, Bottenbroich, Diözesanmuseum Köln 1 © Claus Bernet

Bottenbroicher Weltgericht (1533)

Weltgerichte auf Glasfenstern muss es im Mittelalter und der Frühen Neuzeit massenweise gegeben haben. Schriftliche Quellen bezeugen dies, und die Beliebtheit dieses Motivs lässt sich noch auf Miniaturen und auf Wandmalereien ablesen. Im Gegensatz dazu haben sich die brüchigen Werke auf Glas nur selten über Jahrhunderte erhalten. Gerade in Deutschland wurden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zahlreiche historische Kirchenfenster unnötig vernichtet, weil man die Vergangenheit „entsorgen“ wollte und für das Vermächtnis der Vorgängergenerationen kein Verständnis hatte. So gibt es heute in kaum einer Kirche Glasarbeiten, die einmal älter als hundert Jahre sind. Ausnahmen finden sich meist in kirchlichen oder staatlichen Museen. Im Kölner Diözesanmuseum konnte ein Weltgericht gerettet werden. Es ist, für ein Fenster, überaus bekannt, Kopien finden sich in der Kirche Heilig Geist in Kerpen-Neu-Bottenbroich, im Glasmuseum Linnich und in der Pfarrkirche St. Mariä Himmelfahrt in Frechen-Grefrath. Die drei Glasbahnen werden auf das Jahr 1533 datiert. Ursprünglich befand es sich im Zisterzienserkloster von Bottenbroich, drei Kilometer nordöstlich von Kerpen im Rhein-Erft-Kreis in Nordrhein-Westfalen. Dort hatte es als mittleres Chorfenster einen prominenten Ort. 1951 musste das Kloster, die Kirche wie auch der gesamte Ort abgerissen werden, um dem Braunkohletagebau Platz zu machen. Ein Teil der Pretiosen der Klosters kam in die benachbarte römisch-katholische Gemeinde von Grefrath, andere fanden in verschiedenen Museen eine neue Heimat, von wieder anderen ist der Verbleib nicht geklärt.
Das Weltgericht ist klassisch aufgebaut, wie man es auch von vielen anderen Werken her kennt: Der richtende Christus auf dem Thron oben, umgeben von Heiligen, darunter aufgehende Gräber, Menschen werden zum Gericht gerufen, ein Teil darf nach links in das Himmlische Jerusalem, ein Teil muss nach rechts in die Hölle. Ein Besonderheit sind die adeligen Stifter, die unten in einer eigenen Bildzone wiedergegeben sind, wo das Fenster auch datiert ist.

Bei dem Himmlischen Jerusalem fällt zweierlei auf: Erstens sind es nicht wenige Vertreter mittelalterlicher Stände, die hier zusammenkommen, sondern schiere Massen. Vorne links sind zwar noch Petrus und rechts ein Engel als vollständige Figuren eingefügt, aber im Hintergrund werden die Figuren kleiner und kleiner. Einige sind noch an ihrer Kopfbedeckung als Geistliche zu erkennen, man findet eine Tiara und zwei Bischofsmützen. Zweitens fällt die äußerste Zurückhaltung bei der Architektur des Himmlischen Jerusalem auf. Schon die Entscheidung, von der Stadt nur die Eingangspforte zu zeigen, begrenzt die Möglichkeiten. Die opulente Säule im Renaissancestil rechts gehört nicht dazu, man findet sie ebenso auf der gegenüberliegenden Seite in der Hölle. Lediglich vier oder fünf gemauerte Steine eines Rundbogens über den Köpfen der Geretteten zeigen an, dass sich hier eine Pforte befindet. Sie ist in großen Teilen von weißlichen Wolken verdeckt, die mehr ins Auge fallen als das, auf das es hier ankommt. Bei der Wiedergabe der Hölle hat sich der Meister, den wir namentlich nicht kennen, nicht die gleiche Zurückhaltung auferlegt. Der Meister wird mitunter einer fiktiven „Kölner Schule“ zugeordnet, nach folgendem Vorgehen: Da man nichts Genaues weiß, nimmt man die nächstgrößere Stadt in der Hoffnung, dass es hier schon genügend Künstler und Betriebe gegeben haben mag, die als Urheber in Frage kommen. Einer schreibt dies, die anderen übernehmen es, langsam wird es zur Wahrheit, einige Beispiele: Meister Biberach, Brucker Meister, Meister von Schöder. Ebenso gut kann das hiesige Fenster anstatt in Köln in Aachen, Heerlen, Düren oder ganz woanders entworfen worden und angefertigt worden sein.

Heinrich Oidtmann: Ein Glasgemälde in der ehemaligen Zisterzienserkirche zu Bottenbroich, in: Christliche Kunst, 20, 1923/24, S. 8-20.
Johann Schmitz, Rudolf Kannegiesser: 500 Jahre Pfarrkirche Bottenbroich, Bottenbroich 1948.
Hans Elmar Onnau, Bernd Päffgen, Gert Ressel: Die Zisterzienser in Bottenbroich und Blatzheim, Kerpen 1981.
Matthias Roggendorf: Die sakrale Kunst in der Pfarre St. Mariä Himmelfahrt in Frechen-Grefrath und die Geschichte der Zisterzienserklöster in Bottenbroich, Frechen-Grefrath 1993.
Klaus Monsees: Die Umsiedlung der Pfarrkirche von Bottenbroich nach Grefrath, Bedburg 2008.
Klaus Monsees: Das ‚Bottenbroicher Fenster‘ oder auch „Das jüngste Gericht“, Bedburg 2008.
Ralf Kutscha: Das Bottenbroicher Fenster ‚Das jüngste Gericht‘, in: Unter uns … Frechen-Grefrath, 6, 2023, S. 40-43.

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tags: Profanierung, Zisterzienser, Kloster, NRW, Weltgericht, Frühe Neuzeit, Stifter, Pforte, Bild: Diözesanmuseum Köln
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