Friedrich Stummel (1850-1919): Himmelspforte der Gnadenkapelle in Kevelaer (1888)
Friedrich Stummel (1850-1919) ist, was Darstellungen des Himmlischen Jerusalem angeht, nicht allein mit Glasarbeiten hervorgetreten, sondern vor allem mit einer Freskenmalerei. Wie bei den Glasarbeiten war eine reichlich ausgestattete Himmelspforte eine Möglichkeit, pars pro toto einen Teil der heiligen Stadt zu präsentieren, ohne sich über deren endgültiges Aussehen festzulegen. Stummel war ein Vertreter der Nazarener-Strömung innerhalb der Düsseldorfer Malerschule, als Professor war er im Kaiserreich eine Autorität in Sachen katholischer Sakralkunst. 1882 war Stummel in den Wallfahrtsort Kevelaer gezogen und kaufte sich 1884 ein Wohnhaus. 1886 ließ er in Kevelaer zusätzlich ein Atelierhaus errichten, was insofern ungewöhnlich war, da der Meister zu diesem Zeitpunkt noch nicht verheiratet war. In Kevelaer war er die Jahre von 1891 bis zu seinem Tod mit Ausmalungen in der Marienbasilika beschäftigt, seinem Haupt- und Lebenswerk. Neben der Arbeit an der Marienbasilika hatte Stummel aber Zeit und Energie, zahlreiche weitere Kunstwerke im ganzen Deutschen Reich auszuführen. In Kevelaer arbeitete Stummel zusätzlich noch an der Gnadenkapelle, einem sechseckigen Bau mit Kuppeldach von 1654 mit einem Gnadenbild von 1640. Vorbild war damals die Gnadenkapelle im belgischen Scherpenheuvel, welches als katholisches Jerusalemprojekt seinen eigenen, besonderen Bezug zum Thema hat.
Bis Ende des 19. Jahrhunderte hatte sich Kevelaer zu einem beliebten Marienwallfahrtsort Europas entwickelt, zahlreiche Wunder sollen sich hier ereignet haben, Millionen Gläubige strömten zu der kleinen Kapelle mit der „Trösterin der Betrübten“. Von 1888 bis 1892 wurde die Kapelle künstlerisch aufwändig ausgestaltet, anschließend wurde 1892 das 250-jährige Wallfahrtsjubiläum feierlich begangen. An Geld und Aufwand musste nicht gespart werden, wer hier einen Auftrag bekam, konnte sich geehrt fühlen – nur die Besten ihrer Zeit sollten mitarbeiten. Unter anderem war Stummels Beitrag die Gestaltung der Decke. Hierfür wählte er eine Neorenaissancemalerei auf Goldgrund, die in üppiges Stuckdekor gefasst war. Beeinflusst war Stummel von der Italienbegeisterung jener Zeit, vor allem von den Fresken in Pompeji, die bei den frühen Ausgrabungen von Giuseppe Fiorellis und Michele Ruggiero entdeckt wurden, und von archäologischen Grabungen und Entdeckungen in Rom.
Für die Kapelle gab es eigentlich nur ein geeignetes Bildmotiv: Die Symbole zur Verherrlichung und Verehrung Mariens nach der Lauretanischen Litanei, ein Thema, das seit Jahrhunderten in der Kirche verankert und auch Pilgern aus unterschiedlichen Kulturen vertraut war. Hinzu kamen Szenen aus dem Marienleben, ebenfalls auf Goldgrund. Beides führte Stummel schon 1888 aus.
Eine der Deckenkappen zeigt oben den Sedes Sapientiae (Sitz der Weisheit), daneben die Porta Coeli (Himmelspforte), darunter die Arca Foederis (Bundeslade) und die Arca Salva (Rettungsarche). Die Pforte ist als antiker Triumphbogen gestaltet, zunächst ganz ohne religiöse Anklänge. Das mächtige Tonnengewölbe schwebt auf luftigen, rosafarbenen Wölkchen, was einen eigenartigen Kontrast erzeugt. Auf ihm präsentieren vier Engel Kronen von Märtyrern und in der offenen Pforte erscheint das Christusmonogramm.
Magdalena Kurz: Die Gnadenkapelle zu Kevelaer, Info (Köln), um 1950.
Gregor Hövelmann: Friedrich Stummel. Eine Lebensskizze, in: Der Kirchenmaler Friedrich Stummel (1850-1919) und sein Atelier. Ausstellung des Niederrheinischen Museums für Volkskunde und Kulturgeschichte Kevelaer in Zusammenarbeit mit dem Rheinischen Museumsamt vom 29. April bis 28. Oktober 1979, Kleve 1979, S. 15-28.
Guido Große Boymann, Olga Llop de Große Boymann: Kevelaer, Gnadenkapelle, München 1993.
Paul Wietzorek: 350 Jahre Gnadenkapelle in Kevelaer: 1654-2004, in: Der Niederrhein, 4, 2004, S. 190-197.
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