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Georg Meistermann (1911-1990): Feldkirche bei Neuwied (1975)

Die Feldkirche bei Neuwied am Rhein ist heute der älteste Sakralbau der Umgebung und hat dem Ort Feldkirchen seinen Namen gegeben. Der Bau, der in Teilen noch in das 10. Jahrhundert zurückreiche, wurde im Zweiten Weltkrieg schwer zerstört. Auch alle historischen Buntglasfenster gingen zu Bruch. Dabei handelte es sich keineswegs um „kunsthistorisch nicht besonders wertvolle“ Fenster, sondern um einen über Jahrhunderte gewachsenen Bestand, deren Motive und Künstler man zum Teil gar nicht kennt, so dass eine Aussage über den Wert gar nicht getroffen werden kann. Man behalf sich um 1948 zunächst mit einer einfachen Notverglasung. Als 1950 wieder Gelder und Motivation für eine höherwertige Ausstattung vorhanden waren, kam es innerhalb der evangelischen Gemeinde unter Pfarrer Ernst Keller zu schwierigen und langwierigen Diskussionen: traditionelle figürliche Fenster oder moderne abstrakte Lösungen? Schließlich fand man einen Kompromiss, indem man zwar eine abstrakte Formensprache für die Fenster wählte, auf denen sich aber durchaus figürliche Elemente entdecken lassen.
Mit der Ausführung hat man den damals noch wenig bekannten Glasmaler Georg Meistermann (1911-1990) beauftragt. Im Unterschied zu fast allen anderen Umbaumaßnahmen ging man in der Feldkirche aber anders vor. Erst dann, wenn genügend Gelder vorhanden waren, beauftragte man Meistermann mit einem neuen Fenster, nach folgendem Prozedere: Der Pfarrer wählte einen Bibelvers aus, der Künstler hatte bei der Umsetzung völlig freie Hand. Das Vorgehen erwies sich als außerordentlicher Glücksfall. Einerseits entwickelte sich, was man 1950 nicht wissen konnte, Meistermann zu einem bedeutenden Künstler der Nachkriegszeit, andererseits entstand in der Kirche ein Art Meistermann-Museum. An den Fenstern kann man, wie sonst nirgendwo, die unterschiedlichen Schaffensphasen des Künstlers nachverfolgen. Das Schwierige war freilich, dass die Arbeiten sich von 1950 bis 1979 hinzogen.
Ein Fenster am linken Seitenschiff zeigt das Himmlische Jerusalem. Die Meistermann vorgegebene Textstelle war Johannesoffenbarung Kap. 21, Vers 12-14. Zwölf Kreise erinnern an die zwölf Perlentore der Stadt. Meistermann hat jeweils drei Perlentore an eine Seite gesetzt, somit ergibt sich ein annähernd quadratisches Mittelfeld. Hier finden sich horizontale und vertikale, gelegentlich auch schräge Linien, manche farblich hervorgehoben. Oftmals enden sie in einem der Perlentore, oder nehmen von dort ihrem Ausgang: Man darf Straßen und Plätze einer Stadt darin erkennen. Unten verdichten sich die horizontalen Farblinien und formieren das Edelsteinfundament.

An den Seiten finden sich weitere Farbbänder, rechts ein blaues, links ein rotes. Es sind die traditionellen Farben des Himmlischen Jerusalem, die für Blut (rot) und den Lebensstrom (blau) stehen. Im Vergleich mit allen weiteren Darstellungen das Himmlischen Jerusalem von Meistermann kommt man zu der Schlussfolgerung: In Feldkirchen hat er diesem Gegenstand einen hohen figürlichen Anteil verliehen, anderswo (zum Beispiel in St. Franziskus, Mainz) überwiegt der abstrakte Anteil.
Das Fenster ist nicht datiert. Es wurde als eine der letzten Arbeiten 1975 eingebaut, die Herstellung hat die Glasmanufaktur Derix in Kaiserswerth übernommen.

Rudolf Löhr, Friedrich Strunck: Geschichte der evangelischen Kirchengemeinde Feldkirchen, Wuppertal 1959.
Werner Richter, Wilhelm Storek: Georg Meistermann – Die Fenster der Feldkirche, Bonn 1979.
Bruno Zeitz: Die Baugeschichte der Feldkirche, Feldkirchen 1987.
Liane Wilhelmus: Georg Meistermann. Das glasmalerische Werk, Petersberg, 2014
Horst Schneider: Die Meistermann-Fenster in der Feldkirche, o.O. (2018).

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tags: Georg Meistermann, Rheinland-Pfalz, moderne, Perlentor, Edelsteinfundament
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