Nicolas Brücher (1874-1957): Wandmalerei in Rümelingen, Sankt Sebastian (1931)

In den 1920er, 1930er und 1940er Jahren wurden wegen der wirtschaftlichen und politischen Krisen in Europa nur wenige großflächige Wandbilder mit der Jerusalems-Thematik geschaffen. Eine Ausnahme findet sich in der römisch-katholischen Pfarrkirche Sankt Sebastian in Rümelingen (Rumelange), einem Ort in Luxemburg. Dort widmete sich der Maler Nicolas Brücher (1874-1957) intensiv dem Thema der Bergpredigt (Matthäusevangelium, Kap. 5-7). Seine großformatigen Werke wurden 1931 ausgeführt und später von Leo Olinger aus Wasserbillig umfassend restauriert. Im Stil orientierte sich Brücher noch an der Kunst der Nazarener, ebenso wie am Art déco.

Zunächst findet man im linken und rechten Querarm des Kirchenschiffs zwei historistische Malereien, die Szenen aus dem Leben Jesu zeigen (Bergpredigt). Die darüber gesetzte Vedute ist auf beiden Seiten identisch, allein in ihrem Bibelvers unterscheiden sie sich. In einem persisch-byzantinischen Fantasie-Dekor ist das Himmlische Jerusalem darübergesetzt. Dort hat Brücher in einer Kolonnadenreihe zwei Türme mit Engeln eingefügt. Dazwischen befindet sich ein tempelartiger Bau, der mit einer flachen Kuppel bekrönt ist. Was sich in ihm verbirgt, bleibt noch geheim, der Vorhang ist zugezogen. Hinter bzw. über der Mauer erkennt man zwischen Palmen einfache Lehmbauten einer nahöstlichen Stadt. Bemerkenswert ist, dass im Vordergrund, vor den Kolonnaden, nach langer Zeit einmal wieder das Lammmotiv aufgenommen wurde, aber nicht als Agnus Dei, sondern als spiegelbildlicher Lämmerfries, wie ihn Brücher bei seinem Romaufenthalt an den dortigen Mosaiken studiert haben wird.

Betritt man den Altarbereich, ist man erneut von großformatigen Bildmotiven umgeben. Auch diese sind an eine römische Kirche angelehnt, nämlich an die Basilika di S. Giovanni in Laterano. An den Wandseiten sind zwei Illustrationen gegenübergestellt, die sich lediglich darin unterscheiden, dass die Blickrichtung des apokalyptischen Lammes unterschiedlich ist, womit es sich an beiden Seiten zum Altar hin ausrichtet. Vor ihm laben sich zwei Hirsche an einer Quelle (vgl. Stiftskirche Bücken), die die vier Paradiesflüsse Gion, Fison, Tigris und Euphrat symbolisiert. Im Vordergrund findet man wieder die Kolonnadenreihe, im Hintergrund die Palmen, alle in Form und Farbe identisch: Es handelt sich um eine Schablonenmalerei, deren Formen eine serielle Reproduktion zuließen, wie es in der geometrischen Variante des Jugendstils oder im Art déco Mode war.
Nach dem Zweiten Weltkrieg empfand man die Malereien als altbacken und übertünchte sie. 1993 wurden sie mühsam wieder freigelegt. Zwar haben sie nicht mehr ihre einstige Strahlkraft, sind aber ein Zeitdokument einer, was die Sakralkunst angeht, ansonsten wenig erforschten Zwischenzeit.

Jean-Claude Muller, Edmond Frantzen: La restauration de l’intérieur de l’église paroissiale de Rumelange 1993. Nicolas Brücher et ses fresques bibliques dans l’église paroissiale de Rumelange, Rumelange 1993.
Michel Schmitt: Katholische Pfarrkirche St. Sebastian Rümelingen, Regensburg 2004.
Marc Jeck: Le divin, l’humain et l’art. Le peintre mosellan Nicolas Brücher est mort il y a 50 ans, le 2 juillet 1957, in: Die Warte, 28. Juni 2007, S. 1-2. 

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tags: Luxemburg, Schablonenmalerei, Historismus, Jugendstil, Paradiesflüsse, Hirsch, Art déco, Palme
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