Joseph Martin Kronheim (1810-1896): Illustrationen zu Pilgrim‘s Progress (um 1870)
Um 1870 erschien in London „Bunyan‘s Pilgrim’s Progress in words of one syllable“, herausgegeben von Samuel Phillips Day. Ausgestattet sind sie mit Farbabbildungen im Stil des Historismus von Joseph Martin Kronheim (1810-1896), der sich mit diesem Thema während seines Schaffens mehrfach beschäftigt hat. Das Einlegeblatt zwischen den Seiten 30 und 31 bringt eine romantisierte Himmelspforte, unterschrieben mit „Christ at Wichet Gate“.
Ein weitaus prächtigeres Tor im neobarocken Stil zeigt die Farbabbildung zwischen den Seiten 212 und 213, die zu der Szene „Christian and Hopeful cross the river“ am Buchende gehört, wo der Pilger zuletzt einen Fluss überqueren muss, bevor er in das Neue Jerusalem eingelassen werden kann. Das Gatter kennt man von Paolo Priolo 1865, ein ähnlicher Torbau findet sich in der Ausgabe 1872, die Ritterrüstung wurde auch von Henry Courtney Selous (um 1875) gezeigt. Die Historismus-Abbildungen waren beliebt, man findet sie noch in einer Übersetzung ins Pakhoi von 1910.
Eher klassisch-akademisch ist dieses Einzelblatt gehalten. Es zeigt die Szene „Christiana entering the river“, die ihrer Dramatik wegen gerne zu Illustrationen herangezogen wurde. Die Figur scheint die Hand des Betrachters ergreifen zu wollen, um mit ihm über den Fluss in das Neue Jerusalem zu ziehen. Dort, am anderen Ufer, erwarten bereits Engel die neu Ankommenden. Eigenartigerweise strömt die Masse der Pilger, zum Teil mit Pferdewagen, nicht in die Stadt, sondern ebenfalls zum Ufer. Die Stadt im Hintergrund bezeugt, wie detailliert man bemüht war, nahöstliche Architektur wiederzugeben. Die einst teure Lithographie erschien um 1870 als Einzelstück im Londoner Verlag Kronheim & Co., gegründet von Joseph Martin Kronheim (1810-1896). Gleichzeitig fand sie Aufnahme als unpaginiertes Beiblatt in einer Londoner Ausgabe von John Bunyans Meisterwerk, die ebenfalls um 1870 gedruckt wurde. Möglicherweise war hier auch der Meister mit am Werk, doch Kronheim arbeitete zu seinen besten Zeiten mit vielen Illustratoren zusammen, wie etwa auch George Baxter (1804-1867). Da die Illustration die Allegorie „Christiana“ zeigt, wurde sie irrtümlich einer Illustratorin Christiana Kronheim zugewiesen, die es nicht gibt – möglicherweise ein Fehler der Künstlichen Intelligenz.
Kronheim wurde 1810 in Magdeburg geboren. In den 1830er Jahren lebte er in Edinburgh, wo er als Zeichner, Drucker und Verleger arbeitete. Er war dabei überaus erfolgreich: Bis 1855 hatte seine Firma Kronheim & Co. über eintausend verschiedene Drucke hergestellt, darunter einige für die Pariser Weltausstellung von 1855. Kronheim & Co. nutzte damals das sogenannte Baxter-Verfahren zur Erstellung von Drucken. Kronheims wichtigste Innovation auf diesem Gebiet war die Verwendung von Zink anstelle von Holzblöcken, was die für die Fertigstellung der Drucke benötigte Zeit erheblich verkürzte, aber zu einer weniger glänzenden Oberfläche führte. Nach der Ausstellung verkaufte Kronheim seinen Geschäftsanteil samt seiner Patente an den Verleger Oscar Frauenknecht. Kronheim zog sich zunächst nach Deutschland zurück und versuchte, weitere Druckereien zu gründen, darunter eine amerikanischer Importwaren. Diese Bemühungen scheiterten jedoch, so dass Kronheim einen Großteil seines Vermögens verlor. Folglich kehrte er zu Frauenknecht und dessen Firma zurück, die weiterhin den Namen „Kronheim & Co.“ führte. Er war jetzt jedoch nicht mehr Mitinhaber, sondern bis 1887 als Illustrator angestellt. Vornehmlich bebilderte er bekannte Romane, dann vor allem Jugendbücher und biblische Drucke. Er verstarb 1896 im Alter von 85 Jahren in Berlin.
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Eine weitere Illustration, die von Kronheim signiert ist, lautete „Christians arrival at the Wicket Gate“. So ist es auch auf dem Torbogen über den zwei Figuren eingemeißelt. Vorne, in gebückter Haltung, steht der ankommende Pilger. Er wird von dem Türsteher empfangen, der anhand seines Schlüssels uns seines Bartes an die Petrusgestalt erinnert, anhand seiner Kleidung auch an einen Hohepriester. Die Figuren überzeugen, nicht aber der anatomisch viel zu hoch gesetzte Arm des Pilgers, den der Priester an sich zieht. Wie im Beispiel zuvor ist auch diese Zeichnung als Einzeldruck vertrieben worden und fand gleichzeitig Aufnahme als Beiblatt in eine Edition von „Pilgrim’s Progress“.
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