Henry Courtney Selous (1803-1890): Pilgrim’s Progress, Ausgaben 1844 und 1875
Zu dem Frühwerk des englischen Maler Henry Courtney Selous (1803-1890) zählt seine Mitarbeit an einer Ausgabe des Romans „Pilgrim’s Progress“ von John Bunyan. Diese Neuausgabe brachten George Godwin und Lewis Pocock für die Art-Union 1844 in London heraus. Sie besteht aus zwei Teilen. Im ersten finden sich Holzschnitte von John Bastin nach Vorlagen von Selous. Auf Seite 85 wird eine kaum ausgestaltete Gottesstadt als massive Pforte, umgeben von einem Lichtkranz, am fernen Horizont verschwommen gezeigt. Eine Variante findet sich auch in der New Yorker Ausgabe von 1845 (S. 256), dort jedoch mit einem Strahlenkranz.
Der zweite Teil besteht aus 21 hochwertigen Kupferstichen, die als Loseblattsammlung beigegeben sind. Darunter findet sich das Blatt „Christian enters the wicket gate“ von Charles Roll, das dieser nach einer Arbeit von Selous gestochen hat. Es ist Zeichnung im Stil des Viktorianismus, ganz auf die Haltung, Kleidung und den Ausdruck der Personen konzentriert, während die Architektur lediglich mit wenigen Linien skizziert ist. Im Unterschied zur vorherigen Arbeit glaubt man kaum, dass beide Werke von gleicher Hand sind. Selous konnte aber, ähnlich wie Jean-Charles Levasseur, als erfahrener Illustrator die unterschiedlichsten Stile und Darstellungsformen liefern, die seine Auftraggeber wünschten.
Eine weitere Arbeit zeigt erneut die Vielgestaltigkeit des Schaffens dieses Künstlers. In London, Paris und New York erschien Jahrzehnte später eine ebenfalls aufwendig gestaltete Gemeinschaftsausgabe des Pilgerbuchs, von den Herausgebern Cassell, Petter, Galpin & Co. Sie weist kein Datum aus, wird aber auf die Zeit um 1875 geschätzt. Selous steuerte hier eine neue Farbabbildung bei, die den Titel trägt: „Within Sight of the Holy City“ (Platte VII, zu Deutsche etwa:„In Sichtweite der Heiligen Stadt“). Sie zeigt einen Ritter in eiserner Rüstung und rotem Umhang, der vor einer im Nebel loder gleißenden Sonne liegenden Kuppel, die an Interpretationen von John Martin erinnert, ehrfurchtsvoll beide Hände hebt. Einzelheiten der Architektur lassen sich nicht erkennen, alles ist mit gleißendem Licht überzogen. Gedruckt wurde die Abbildung bei Th.(omas) Dupuy, der in London wie auch in Paris verlegerisch aktiv war.
„Goodwill Leads Mercy through the Gate“ ist eine Farbzeichnung von Seite 213 einer weiteren Ausgabe aus der Zeit um 1875. Sie stammt aus der Ausgabe „Pilgrim’s Progress and other Allegorical Works“, die Joseph Dogdeson in Leeds herausgebracht haben soll. Leider ist der Künstler dieser qualitätsvollen Arbeit nicht bekannt, zugewiesen wird sie Henry Courtney Selous. Im Vordergrund werden beide Bildseiten durch die gestreckten Arme der beiden Personen verbunden. Dabei steht eine Jesusfigur auf einer so gewaltigen Stufe, dass diese wie eine Siegerpodest anmutet. Im Hintergrund ist das Neue Jerusalem mit einer wehenden Fahne eines mittelalterlichen Burgturms geschmückt. Auch das leuchtende Kreuz im Himmel ist ein Einfall des Zeichners zur Steigerung der Dramatik dieser für die Geschichte zentrale Szene.
Zum Künstler:
Henry Courtney Selous wurde 1803 in der Panton Street in Haymarket, London geboren. Er war der Sohn von Gideon „George“ Slous (1777-1839), einem flämischen Porträt- und Miniaturmaler, und ein Schüler von John Martin, einem wichtigen und einflussreichen englischen Maler des 19. Jahrhunderts. Henry Courtney Selous heiratete am 4. März 1837 Emily Elizabeth (gest. 1879), Tochter des erfolgreichen Miniaturmalers Henry Pierce Boneat in der St. Pancras Parish Church. Das Paar hatten vier Töchter.
1818 trat Selous in die Royal Academy Schools ein und stellte an der Akademie auch sein erstes Werk aus: Das Porträt seiner Lieblingskatze. Er reichte weitere Tierporträts für die nächsten drei Jahre ein, bevor er sich auf menschliche Porträts einließ. Seine frühen Werke wurden noch unter dem Namen Slous ausgestellt, aber zwischen 1831 und 1838 nahm er den Namen Selous an.
In den 1840er Jahren begann er, auch historische Motive zu malen, zunächst inspiriert durch das erneute Interesse an der Historienmalerei, das 1843 durch den Cartoon- Wettbewerb New Palace of Westminster für die Gestaltung von Fresken für das Gebäude ausgelöst wurde. In den letzten Jahren seines Schaffens malte er historische Stücke wie zum Beispiel „Jerusalem in her Grandeur“ (1860) oder „Cassio Wounded“ (1874). Verstorben ist der Künstler am 24. September 1890 in Beaworthy (Devon).