Manfred Espeter (1930-1992): Türgriff von St. Bartholomäus in Marl-Polsum (1967)
Die römisch-katholische Kirche St. Bartholomäus in Marl-Polsum zeigt nicht nur auf einem ihrer Glasfenster das Neue Jerusalem, sondern das Motiv begrüßt Besucher bereits im Eingangsbereich. Dort befindet sich, durch Treppen überhöht und leicht in das Gebäude eingezogen, der Türbereich der Kirche. Er ist mit Bronzeplatten überzogen, die an ihren Außenseiten geometrische Strukturen wiedergeben, die an elektrische Schaltkreise angelehnt sind. So etwas war auch bei anderen Kunstwerken dieser Zeit eine Mode. Im Zusammenhang mit dem Himmlischen Jerusalem kann man in den Strukturen Straßen, Brücken, Häuser, Kanäle und andere Bestandteile einer Stadt von oben gesehen erahnen. Das eigentliche Himmlische Jerusalem zeigt der gewaltige Türgriff, der beide Türflügel im geschlossenen Zustand vereint, sich beim Betreten der Tür jedoch nach außen hin öffnet, so dass in St. Bartholomäus Besucher und Besucherinnen tatsächlich das Neue Jerusalem zu betreten scheinen. Die meisten Gottesdienstbesucher dürften diese Anspielung jedoch kaum bemerken.
In der Mitte des Türgriffes zeigt ein kreisrundes Medaillon eine schmale menschliche Hand. Es ist die Hand Gottes. Seit der Frühen Neuzeit gibt es eine Traditionslinie der Darstellung, bei der die Hand Gottes die Stadt Jerusalem in der Schwebe hält, meist an einem seidenen Faden. Wenige Jahre zuvor hatte Erentrud Trost in St. Johannes in Westerholt-Bertlich genau dieses seltene Motiv als Mosaik dargestellt, und ich vermute, dass dies die Anregung zu der Türgestaltung in Polsum gab. Das Medaillon ist in ein Quadrat gefasst, welches selbst wiederum von weiteren Quadraten und Rechtecken umgeben ist. Allerdings sind es nicht zwölf, sondern nur zehn solcher Blöcke. Damit ist es ein Beispiel, dass künstlerische Freiheit, Komposition und Proportion die biblischen Angaben nicht sklavisch umsetzen müssen, denn von Jerusalem gibt es viele Vorstellungen. Die Oberfläche ist übrigens nicht ungestaltet, was man jedoch nur aus der Nähe zu erkennen vermag. Auf der Oberfläche läuft ein profiliertes Band, welches die Hand Gottes wie eine Mauer umzieht. Das Band buchtet in jeden der Blöcke ein und lässt auf ihnen nochmals ein kleineres Rechteck entstehen.
Die Portalgestaltung stammt, wie auch die meisten Werke der Innenausstattung der Kirche von Manfred Espeter (1930-1992), einem Bildhauer und Glasmaler aus Münster. Seine charakteristische Linienführung und Bezüge zur Apokalypse findet man an verschiedenen Stellen in St. Bartholomäus. Espeter ist es hier gelungen, ein harmonisches Gesamtwerk entstehen zu lassen, dass bis heute in seinen wesentlichen Bestandteilen unverändert ist.
Festschrift zur Einweihung unsrer neuen Kirche St. Bartholomäus Polsum am 24. August 1968, hg. vom katholischen Pfarramt St. Bartholomäus, Polsum 1968.
Bernhard Schütz: Polsum. Katholische Pfarrkirche St. Bartholomäus, München 1970.
Helmut Madynski (Hrsg.): Rund um den Kirchturm von St. Bartholomäus Polsum: Beiträge im Pfarrbrief ‚der Bartholomäer‘ erschienen von 1986-2009, Marl 2011.
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