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Wilhelm Geyer (1900-1968): Peterskirche in Gutach (1957) und Münsterkirche St. Vitus in Mönchengladbach (1960)

Die im Kern spätmittelalterliche Peterskirche in Gutach im Schwarzwald wurde 1957 umfassend renoviert. Bei diesem Anlass entschied man sich auch für moderne Glasfenster im Chorbereich, mit denen man den damals bekannten Glasmaler Wilhelm Geyer (1900-1968) aus Ulm in Zusammenarbeit mit der Glasmanufaktur W. Derix aus Rottweil beauftragte. In der oberen rechten Fensterbahn hat Geyer in einem eigenständigen Bildfeld die Stadt des Himmlischen Jerusalem dargestellt. Das Lamm, der Baum des Lebens, der Baum der Erkenntnis (beides eindeutig von mittelalterlichen Vorbildern inspiriert, vgl. das Tympanon in Bayeux) sowie die vier Paradiesflüsse auf einem kleinen Zionsberg sind von einem Quadrat umzogen. Zwölf Engel präsentieren die Tore der Stadt und stehen jeweils auf einer Perle. All diese Details sind in hellen Pastelltönen gesetzt, wie Rosa und immer wieder Türkis, auch Orange.

 

Diese Formfindung hat Geyer in wenigen Jahren weiterentwickelt und perfektioniert. St. Vitus in Mönchengladbach ist der bedeutendste Kirchenbau der Stadt, der allerdings stark im Zweiten Weltkrieg zerstört worden war. Zahlreiche Glasfenster gingen damals verloren und wurden in einem Prozess über Jahrzehnte hinweg ersetzt, zunächst durch eine Notverglasung. 1960 wurde der Martinschor mit dem Abendmahlsschrein wiederhergestellt, er befindet sich vorne im linken Seitenschiff. Dort gestaltete Geyer eine Variante aus buntfarbigem Antikglas, Blei und Schwarzlot.

 

Im unteren Bereich sind hier im figürlichen Stil historische Szenen dargestellt, nämlich der Abt Sandrad und die Gründungsgeschichte der Abtei Gladbach und somit auch die Anfänge von St. Vitus: Gero und Sandrad glauben in Leichlingen den Ort für eine benediktinische Klostergründung entdeckt zu haben, der Tod eines Königsboten zeigt die Täuschung dieser Annahme an. Anschließend folgen nach unten noch ein verheißungsvoller Traum Sandrads in Gladbach, dann das Auffinden von Reliquien (die heute in der Schatzkammer der Kirche aufbewahrt sind). Abschließend wird gezeigt, wie Sandrad Gladbach verlassen muss, bis er durch Kaiserin Adelheid in Ehren zurückgeführt wird. Über diese Szenen hat Geyer in einem eigenständigen Bildfeld die Stadt Jerusalem dargestellt, die mit den unteren Szenen nur allgemein in Verbindung steht. Dazu hat der Künstler eine noch stärkere, symbolträchtige Sprache gefunden:
Das Quadrat ist nun von einer Kreisform umzogen. Viele einzelnen Details wurden herausgenommen, allein das Lamm in der Mitte ist geblieben. Die zwölf Engel findet man auch hier, allerdings von gleicher Größe, womit der harmonische, einheitliche Gesamteindruck gestärkt wird. Zwischen den Engeln wurden acht Mondsicheln gesetzt – eine Zutat Geyers, die irritiert und Fragen aufwirft, wie bei einer Fensterarbeit von Max Ingrand kurz zuvor. Trotz reichhaltiger Literatur zu diesem Fenster wurden die Mondsicheln bislang an keiner Stelle thematisiert.

Annette Jansen-Winkeln (Hrsg.): Künstler zwischen den Zeiten – Wilhelm Geyer, Eitorf 2000.
Natalie Alexandra Holtschoppen: St. Vitus zu Gladbach, Essen 2008.
Eva-Marina Froitzheim: Wilhelm Geyer und die neue Figuration nach dem Ersten Weltkrieg, in: Carla Heussler, Christoph Wagner (Hrsg.): Stuttgarter Kunstgeschichten, von den schwäbischen Impressionisten bis zur Stuttgarter Avantgarde, Regensburg 2022, S. 312-325.

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tags: Schwarzwald, Baden, Mönchengladbach, Abtei, Basilika, Rheinland, NRW, Mond
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