Carlo Bonacina (1905-2001): Santa Maria Assunta in Cappella (1947)

Die römisch-katholische Kirche Santa Maria Assunta ist die Pfarrkirche von Cappella, einem Ortsteil von Lavarone im Trentino. In der schlichten neoromanischen Kirche bestimmen den künstlerischen Eindruck die Buntglasfenster, die sich beidseitig des Seitenschiffes in etwa vier Meter Höhe entlang ziehen. Es sind insgesamt achtzehn einflügelige Arbeiten. Sie wurden von Carlo Bonacina entworfen und von der  Firma Parisi in Trento hergestellt und installiert. Bonacina (1905-2001) aus Mestrino ist vor allem als Maler und Zeichner hervorgetreten, Buntglasfenster sind in seinem Schaffen eine seltene Ausnahme.
Ein anderes Fenster informiert, dass die Arbeiten 1947 ausgeführt wurden. Glasfenster aus der unmittelbaren Nachkriegszeit aus Italien, die zumal noch das Neue Jerusalem thematisieren, sind selten. Hier findet man sie in individualistischer Ausgestaltung; etwa ist das Kirchenschiff mit päpstlichen Wappen verziert oder Getreideähren, was nicht zu den üblichen Symbolen Mariens zählt, dann auch das das Goldene Haus, der Turm Davids oder der Thron. Vermutlich hat Carlo Bonacina mit einem Priester oder Theologen zusammen gearbeitet, der diese spezielle Form der Darstellung wünschte. Individuell ist auch das fünfzehnte Fenster mit der Himmelspforte.

Zunächst ist die äußere Form traditionell: Braunes Mauerwerk formt eine klassizistische Pforte mit mittelalterlichen Anklängen, wie Zinnen und seitlichen Stadtmauern. Nach vorne laden Stufen breit aus. Im Inneren zeigt sich nun nicht etwa ein Engel oder das Lamm Gottes, sondern hier strahlt eine goldene Sonne, auf die das Himmlische Jerusalem eigentlich nicht angewiesen ist, denn der Offenbarungstext verweist darauf, dass die Stadt aus sich selbst strahlt. Möglicherweise ist es eine Modeerscheinung, eine solche Sonne findet man auch in St. Patrick in Eskaheen (1905), in Saint Jean de Montmartre in Paris (1920) und in St. Marien in Saarbrücken-Herrensohr (1950).
Christus ist in Cappella aber indirekt anwesend durch das Chi-Rho oder Christusmonogramm ganz oben im Scheitel. Die pastellfarbenen Scheiben dazwischen sind eine typische Notverglasung, wie man sie in den 1940er und 1950er Jahren auch in Deutschland öfters antreffen konnte, vor allem nach Kriegsschäden. Die hiesige Arbeit, darauf sei noch verwiesen, entstand nicht in Folge von Beschädigung, sondern der Vorgängerbau aus dem 19. Jahrhundert wurde 1943 ohne Not abgerissen, da man etwas Modernes wünschte.

In dem Bau gibt es ein weiteres Fenster mit einem Bezug zum Himmlischen Jerusalem, in Form der Civitas Dei oder der Gottesstadt. Hier ist die Konzeption derart ungewöhnlich, dass man das Bild zunächst gar nicht als Gottesstadt erkennen kann, denn hier ist nicht nur das Gute, sondern auch das Böse dargestellt – höchst ungewöhnlich und singulär für das Thema Civitas Dei. Oben sieht man zwei Türme oder Bollwerke, dazwischen ein Stück der hohen Mauer, möglicherweise beschädigt und notdürftig repariert. Der Bau thront auf einem massiven Quadermauerwerk, welches wiederum auf natürlichen Steinen fußt. Vor den Steinen liegt ein Drache, eine Art Dackel mit Krokodilsschwanz und gespaltener Schlangenzunge. Er ist gut versteckt, da sein Panzer die gleiche Farbe wie die Steine aufweist. Auch hier finden wir oben ein Christogramm, aus dem ein Speer hervorwächst, welcher sich gegen das Teufelstier richtet.

Aldo Gorfer: Die Täler des östlichen Trentino, Calliano 1975.
Gabriella Belli (Hrsg.): Carlo Bonacina, Trento 1986.

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Beitragsbild: Syrio, Cappella, chiesa di Santa Maria Assunta – Vetrata 15, CC BY-SA 4.0 

tags: Porta Coeli, Nachkriegskunst, Trentino, Italien, Sonne, Wikimedia Syrio, Drache
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