Das gesamte südliche Querschiff der römisch-katholischen Kirche Sint Genoveva in Zepperen (Belgien) ist mit einer Wandmalerei überzogen, die in einer Höhe von 3,70 Metern ansetzt und sich nach oben bis zum Ansatz des Kreuzrippengewölbes zieht. Thema ist das Weltgericht. Viele Einzelheiten, etwa das Wiegen der Seelen durch den Erzengel Michael oder der richtende Christus sind auch von anderen Weltgerichtsdarstellungen bekannt. Ungewöhnlich ist das Himmlische Jerusalem als sandsteinfarbener Turm. Im unteren Teil ist er quadratisch und hat lediglich an einer Seite ein kleines, rundes Fenster im Flamboyant-Stil. Darüber verjüngt sich der Turm auf drei Ebenen zur Kreisform. Er ist mit mehreren Ecktürmchen ausgestattet, die mit Fähnchen verziert sind. Diese wehen in verschiedene Richtungen, was wir schon aus Santa Croce in Mondovi kennen.
Vor der Pforte befindet sich ein Mann mit einem Stock, den er als Gehilfe nutzt. Es ist Adriaen der Stockhueder (altflämisch für „Stokhouder“). Er ist kein Heiliger, sondern es soll sich um einen Kirchenvorsteher handeln, der die Spendengelder der Wallfahrer verwaltete.
Interessant ist, dass zu dem Jerusalems-Turm auf der gegenüberliegenden Seite kompositorisch ein Teufels-Turm dazugestellt wurde: Es ist ein mittelalterlicher Backofen, in dem Menschen beiderlei Geschlechts schmoren. Ebenfalls erwähnenswert ist, dass ein ähnlicher Jerusalems-Turm in Michael Maiers „Collegium Fraternitatis“ gut einhundert Jahre später, 1618, zu finden ist.
Entstanden ist diese Malerei 1509. Die Kirche Sint Genoveva war eine Pilgerkirche. Die sicheren Einnahmen hatten die kostenintensive Ausmalung, wie auch anderen Schmuck der Kirche möglich gemacht. Nach der Reformation beschloss der Archidiakon 1643, die Wandmalereien mit einer weißen Kalkschicht zu übermalen – eine bessere Konservierung wäre kaum möglich gewesen. 1898 schon wurden die Malereien von dem Priester und Historiker Polydoor Daniels wiederentdeckt und dann 1933/34 durch Cornelis Leegenhoek (1903-1971) aus Brügge für 4.000 Franken freigelegt. Bruchstellen wurden befestigt, Fehlstellen ergänzt und Farbe aufgefrischt. 1991 wurde eine erneute Restaurierung durch eine Firma aus Gent notwendig, um das Kunstwerk vor neuen Umweltschäden zu schützen.
Henri America, Albert Manet: Leven in Oud Zepperen. Va kjoozestein tot kurrezoug, Zepperen 1999.