Ikonen auf Textil mit einer Darstellung des Himmlischen Jerusalem sind, vor allem aus der Frühen Neuzeit, etwas sehr Seltenes und Kostbares. Dieses Jerusalemsbanner aus Moskau ist auf das Jahr 1695 datiert. Für die gesamte Ostkirche ist es die älteste erhaltene Darstellung einer Textilarbeit. Man wüsste gerne mehr über die Entstehungshintergründe, aber nicht einmal der Auftraggeber oder der ausführende Künstler sind namentlich bekannt. Die wertvolle und überraschend gut erhaltene Weberei aus Seide in einer goldenen und braunfarbenen Grundtönung hat insgesamt eine Größe von 410 x 370 Zentimetern. Im Jahr 1950 gelangte sie in die Rüstkammer des Moskauer Kreml und wird dort unter der Inventarnummer 3H-1688 aufbewahrt. Die Vorderseite zeigt das Jüngste Gericht bzw. das Weltgericht, die Rückseite den Doppeladler, also das historische Wappen des Zaren bzw. Russlands. Bei dem Weltgericht wird, typisch für die Ostkirche, unten links das Paradies in einem ummauerten Garten mit Paradiespforte gezeigt. Ohne Vorkenntnisse würde man den Paradiesgarten bereits als Himmlisches Jerusalem ansehen.

Das Himmlische Jerusalem hingegen befindet sich hier oben links auf einer Größe von 130 x 120 Zentimetern. Es besteht aus zwei klar getrennten Kompartimenten: Unten ist ein Teil der Mauer mit drei Toren zu finden, in denen Figuren stehen, Engel oder Apostel. Zu erkennen ist auch die Quaderung der Mauer in helle und dunkle Steine sowie ein Zackenfries auf der Mauerkante. Auf der Mauer sollen somit Edelsteine dargestellt sei, wie auf der Mauer Jerusalems aus der St. Jakobus-Kirche des historischen Jerusalem (17. Jh.). Darüber ist ein zweistöckiges Gebäude gesetzt, das mehrere offene Arkaden besitzt, in denen vermutlich Heilige das Abendmahl feiern. Mit dem unteren Mauerwerk ist dieser Bau nicht verbunden. Noch weiter vorne sind Engel und Heilige versammelt, die noch nicht in die schützende Stadt gelangt sind.
Vincent Boele, Irina Barinova: Splendour and glory. Art of the Russian orthodox church, Amsterdam 2011.
Claus Bernet: Ikonen des Weltgerichts, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 37).



