Gerhard Hausmann (1922-2015): Fensterbänder aus der Martin-Luther-Kirche in Hameln (1962)
Das Altarfenster und die beiden Lichtbänder unter dem Dachansatz der Martin-Luther-Kirche in Hameln bei Hannover sind ein einzigartiges Raum- und Gesamtkunstwerk der 1960er Jahre. Vor allem die horizontalen Lichtbänder, die zusätzlich zu weiteren Buntglasfenstern im unteren Kirchenschiff gesetzt sind, tauchen die Kirche, je nach Lichteinfall, in einen dezenten bläulich-gelben Farbton. Das Lichtband umzieht den Raum seitlich vor dem Altar in fünf Meter Höhe. Genaugenommen ist es kein durchgängiges Band, sondern die Fenster sind an Stellen unterbrochen, wo zwölf frei stehende Pfeiler das Dach tragen.
Einzelheiten lassen sich da besser an einem vertikalen Fenster erkennen, welches im linksseitigen Altarbereich die volle Höhe vom Boden bis zur Höhe der südlichen Seitenwand einnimmt. Man erkennt an zahlreichen Stellen immer wieder Türen und Fenster, durch welche der Blick in das Blau des Himmels geht. Diese Türen und Fenster sind mit wenigen rechteckigen Scheiben in gelber und brauner Farbe gesetzt. Angespielt ist hier auf das Bibelzitat, dass Gott im Himmlischen Jerusalem für die Menschen zahlreiche „Wohnungen“ bereit hält (Johannes, Kapitel 14, Vers 2). Insgesamt lassen sich fast 300 solche Wohnungen finden, wie selten auf Glasarbeiten. Der Reiz der Arbeit besteht nun nicht etwa in einer einzelnen Darstellung einer Wohnung, sondern in der Reihung und dem Rhythmus der Bänder. Auch das Altarfenster hat dieses Bandmotiv aufgenommen, denn es besteht aus zahlreichen übereinander gesetzten Bändern und stellt damit einen Bezug her zu den Oberlichtern im Bereich der Gemeinde. Altarbereich und Gemeindebereich werden also hier optisch zusammen gefasst.
Der Entwurf zu diesem ungewöhnlichen Gesamtkunstwerk stammt von Gerhard Hausmann (1922-2015) aus Hamburg, in enger Abstimmung mit dem Architekten Wolfgang Rauda aus Hannover. Die Ausführung besorgte damals die Berliner Glasmanufaktur von August Wagner im Jahr 1962, wie es die Originalsignatur und Datierung auf einer blauen Scheibe am Altarfenster belegt.
Auf Nachfrage hat Hausmann schriftlich bestätigt, dass es Teil des Auftrags war, die heilige Stadt in Hameln darzustellen. Aufgrund der Höhe und schmalen Bänder wurde damals auf weitere figürliche Details, wie etwa bei seinem kurz zuvor entstandenen Wandfresko des Diakonissenmutterhauses in Hannover, verzichtet. Hausmann wurde zu seiner Arbeit durch ein kurz zuvor entstandenes Fenster seines Kollegen Anton Wendling angeregt (St. Maria Rosenkranz in Düsseldorf-Wersten). In beiden Kirchen sind es also weniger Einzelelemente, die das Neue Jerusalem thematisieren, als vielmehr der visuell-atmosphärische Gesamteindruck, der auf Fotografien nur unbefriedigend, da nur partiell eingefangen werden kann.
Aussagekraft in Beton und Glas, in: Beiblatt zur Botschaft, Nr. 18/26, 12.05.1963.
Norbert Opitz (Bearb.): Die Martin-Luther-Kirche zu Hameln, Hameln 1987.
Claus Bernet: Kirchenfenster und Glasarbeiten, Norderstedt 2013 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 6).