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MS Harley 4972: Apokalypsehandschrift (um 1320)

In der Handschrift MS Harley 4972 der British Library (London) ist das Himmlische Jerusalem als kleine Bebilderung zum Text an verschiedenen Stellen zu finden, stets übrigens vor einem Initial. Hier ist zu Beginn auf fol. 37 auch einmal die Erschaffung des Himmlischen Jerusalem durch Gott am Anfang der Welt zu sehen, ein seltenes Thema, welches auch auf den Fresken zu Wienhausen zu finden ist.

Kurz darauf zeigt einer von sieben Engeln dem Johannes ein weit geöffnetes Tor der Gottesstadt vor goldenem Hintergrund. Bemerkenswert ist der energisch aufgezeichnete Hügel, auf dem Johannes steht. Die Stadt ist von den Figuren durch einen stilisierten Wolkenkranz getrennt, in dem das Himmlische Jerusalem als Kirchenbau mit einem lateinischen Kreuz steht.

Daran anschließend dient die Illustration auf fol. 39v dazu, die kostbaren zwölf Edelsteine auf der Stadtmauer darzustellen. Sie ziehen sich auf zwei Bändern am Fundament der Stadt entlang. Dabei fällt auf, dass ein einziger Stein nicht rund, sondern quadratisch gesetzt wurde. Sowohl die Tore der Türme als auch die Flügeltür des Hauptgebäudes sind jetzt weiterhin geöffnet. Die Kuppel darüber entsprecht dem Genre der Grabeskirche im Neuen Jerusalem.

Eine Seite weiter werden einmal die Bewohner der Stadt gezeigt, die sogar mehrere Stockwerke der Türme bevölkern. Es ist bemerkenswert, dass die Bewohner nicht singend, mit Musikinstrumenten oder anbetend dargestellt sind, sondern gewissermaßen bei ihrer „Freizeit“. Teilweise sind sie in Gespräche vertieft, mit einer ganz individuellen Mimik und Gestik, was auf ein lebhaftes Sozialleben schließen lässt. 

In der letzten Darstellung zum Thema (fol. 41v) wird Johannes (exakt in der Positur und Bemalung wie in der ersten Abbildung auf fol. 37v) von einem Engel auf den Fluss des Lebens hingewiesen. Dieser entspringt vom Thron Gottes in der Stadt und fließt durch ein Tor weiter in die Welt. Die wertvolle Apokalypsehandschrift stammt aus Lothringen und wird um 1320 entstanden sein. Sie kann bis auf den Besitzer Robert Harley (1661-1724) zurückverfolgt werden, nach dem sie benannt wurde. Im Jahr 1753 wurde die Zimelie für £10.000 an das British Museum nach London verkauft und gehört, zusammen mit weiteren Werken, zum Grundstock der British Library, welche ebenfalls in London beheimatet ist.

Montague Rhodes James: The Apocalypse in Latin: MS. 10 in the collection of Dyson Perrins, Oxford 1927.
Nigel Morgan: A survey of manuscripts illuminated in the British Isles, 4, 2, London 1988.
Nigel Mor
an: French interpretations of English Apocalpyses, in: John Mitchell, Matthew Moran (Hrsg.): England and the continent in the Middle Ages, Stamford 2000, S. 137-156.

 

tags: Apokalypsehandschrift, Gotik, Frankreich, Welterschaffung, Wolkenband, Edelsteine, Lothringen
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