Weltgerichtsikone aus der Kirche der Verkündigung in Edon (um 1780) und Kopie (1780-1800)
Die russisch-orthodoxe Kirche der Verkündigung in Edon besaß einst eine Ikone mit einer Weltgerichtsdarstellung, die in Folge der russischen Revolution und seiner Ablehnung des Christentums in das staatliche Museum von Tscherepowez im Bezirk der Region Wologda gelangte. Das Kunstwerk ist kaum bekannt und wenig erforscht. Die außerordentlich fein gezeichnete, insgesamt 209 x 172 Zentimeter große Arbeit im russischen Spätbarock entstand um das Jahr 1780. Helle, matte, fast transparente Pastellfarbtöne geben dieser Ikone eine besondere harmonische, freundliche Ausstrahlung. Wie beim Typus eines Arkadenjerusalem üblich findet man die heilige Stadt oben links (Ausschnitt 80 x 40 Zentimeter). In insgesamt acht identischen Arkaden haben sich dort jeweils drei Heilige versammelt, um das Ewige Abendmahl zu zelebrieren. Farblicher Fixpunkt dieses Jerusalems sind die wechselweise blauen und roten Tischdecken. Es ist eine der ganz wenigen Darstellungen, auf denen die Abendmahlstische, auf denen ansonsten Brote und Weinkelche stehen, vollständig leer geblieben sind sind. Zwischen den Arkaden findet man stehend eine Christus- und Marienfigur, annähernd wie auf dem Ikonentyp Jerusalemsoval, nur eben nicht vollständig oval.
Eine, was das Himmlische Jerusalem angeht, von der Konzeption ähnliche Ikone aus Zentralrussland ist zwischen 1780 und 1800 entstanden. Vor allem Christus und Maria in der Mandorla sind in Position wie Haltung und quasi identisch. Die Arkaden sind jedoch mehr in die Vertikale gezogen und oben mit barocken Schmuckelementen bekrönt. Im unteren Bereich ist vor allem das Edelsteinfundament aufgenommen, zwischen zwei Toren, in denen Engel Wache halten. Die Arbeit ist heute Teil der Sammlung Mikhail de Boire (Yelizaventin).
Natalʹja Komaško, Elena Saenkova: Russkaja žitijnaja ikona, Moskva 2007.