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Ikonentyp „Die zweite und schreckliche Wiederkehr unseres Herrn Jesus Christus“ (18. Jh. und 19. Jh.)

Diese Weltgerichts-Ikone entstand in Russland im 18. Jahrhundert und wurde oftmals kopiert. Ihre (hier nicht abgebildete) Überschrift lautet auf Deutsch: „Die zweite und schreckliche Wiederkehr unseres Herrn Jesus Christus, zu richten die Lebenden und Toten“, wie es in der Johannesoffenbarung geschildert ist.
Insgesamt ist die mit Temperafarben gefertigte Ikone 108 x 88 Zentimeter groß. Sie befindet sich heute in einer Privatsammlung. Der linke obere Teil ist dem Neuen Jerusalem vorbehalten: Heilige Männer und Frauen sitzen dort in Dreiergruppen zusammen und feiern das ewige Abendmahl. Sie befinden sich in einer doppelstöckigen Arkadenreihe, in roter und dunkelblauer Farbe (Typus Arkadenjerusalem). Es sind bei diesem Ikonentyp acht Arkaden versammelt, die in zwei Reihen übereinander liegen. An manchen Stellen ist zwischen die Träger ein breiterer Pfeiler gesetzt, der fast zu einem Turm auswächst, etwa rechts außen. Dieses Phänomen lässt sich auf auch anderen Ikonen des 18. Jahrhunderts beobachten. Die Stadt ruht auf einem Wolkenband, welches hier etwas an Schaum erinnert. Links unten ist am Fundament ein Engel zu finden, der weitere Heilige, die von unten nach oben in Richtung der schützenden Stadt fliegen, in Empfang nimmt (Typus Fahrstuhlikone). Links oben rollt ein weiterer Engel das Firmament mit Sonne und Mond (auf der gegenüberliegenden Seite, hier nicht abgebildet) zusammen, nach Johannesoffenbarung Kap. 6, Vers 14.

Leopold-Hoesch-Museum Düren (Hrsg.): Ikonen 16. – 19. Jh., Recklinghausen 1981.
Karin Kirchhainer, Alexandra Neubauer: Himmelsstreiter. Schätze der Ikonenkunst vom 12. – 20. Jh. aus deutschen Privatsammlungen, Tübingen 2007.
Eva Haustein-Bartsch (Hrsg.): Pforte des Himmels, Bielefeld 2008.

 

Vor allem im 19. war der Darstellungstyp der „Wiederkehr“ weiterhin beliebt, dafür steht dieses Beispiel. Die Ikone entstand im 19. Jahrhundert und befindet sich heute im Staatlichen Museum für Geschichte der Religion in St. Petersburg. Es ist eine Temperamalerei aus Russland für eine orthodoxe Kirche, die im Zuge der Stalinisierung aufgelöst wurde. Anders als noch im Barock sind nun die Arkaden streng geometrisch geordnet, fast wie bei einem Fabrikgebäude. Unten links sieht man übrigens noch deutlicher ein bogenförmiges Himmelstor, von einem Engel bewacht.

 


Eine weitere Variante befindet sich ebenfalls heute im Staatlichen Museum für Geschichte der Religion in St. Petersburg. Es ist eine volkstümlich-manieristische Arbeit aus Westrussland, mit einer Gesamtgröße von lediglich 71 x 60 Zentimeter. Auffällig ist hier, dass das blaue Band mit der Symbolisierung des Firmaments deutlich heller, fast Türkis, ist, das Wolkenband unter der Stadt jedoch annähernd schwarz aufgemalt wurde. Hinzugefügt wurde auch ein ornamentiertes Schmuckband.

Oleg Tarasov: Ikona i blagoestie: oerki ikonnogo dela v imperatorskoj Rossii, Moskva 1995.

 

2016 wurde eine russische Ikone online zum Verkauf angeboten, die aus dem späten 19. Jahrhundert stammt. Einst in kirchlichem Besitz, ist sie heute in einer Privatsammlung und steht der wissenschaftlichen Erforschung nicht zur Verfügung. Man findet wieder die typischen Merkmale wie auf den vorangegangenen Arbeiten der „Wiederkehr“. Die Arkaden sind hier allerdings annähernd quadratisch, rot gefärbt, profiliert und besitzen ein Kapitell. Was auf dieser Ikone fehlt, ist der „aufgerollte Himmel“, der solch ein Werk oft nach oben hin abschließt.

 

tags: Wiederkehr, Russland, Weltgericht, Tempera. Arkadenjerusalem, Wolkenband, Staatliches Museum für Geschichte der Religion in St. Petersburg, Volkskunst, Manierismus, Auktion
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