Bei dieser Ikonenmalerei zieht sich das Himmlische Jerusalem wie ein breites Band vom oberen linken bis zum oberen rechten Rand hinweg. Die darin befindlichen Heiligen sind, wie üblich, in Gruppen zusammengefasst, die durch rote Arkaden voneinander abgetrennt sind (Arkadenjerusalem). Verbunden sind sie durch lange Tische, die sich sogar durch die Arkaden hindurchziehen und an denen die Heiligen das ewige Abendmahl feiern. Weitere, noch längere Tische findet man darunter, allerdings fehlen hier die Arkaden.
An den Seiten der Ikone sind im oberen Bereich jeweils mehrere Tore der Himmelsstadt übereinandergesetzt, manche rot, gelb oder braun, in stets wandelnder Form und immer besetzt mit einem prominenten Heiligen der Bibel oder der Kirchengeschichte. Der eindrucksvolle und geradezu magische konzentrische Kreis in schwarzer und roter Farbe symbolisiert das Universum mit den Planeten und Sphären, mit einem (leicht beschädigten) Trinitätssymbol im Zentrum. Der Kreis wächst zu solch einer Größe an, dass er das gesamte Himmlische Jerusalem zerteilt und sich auch über die Bänke der Abendmahlsfeier schiebt. Die Kreisform entstand ursprünglich im Mittelalter aus Christus in der Mandorla. Im Laufe der Jahre wurde der Kreis auch einmal besonders betont, wie auf einer Weltgerichtsikone um 1450. In dieser gewaltigen Ausprägung ist die Jerusalemskreis-Ikone jedoch ohne Vorbild und Nachbild.
Es handelt sich hier um eine außergewöhnlich erzählerische, manieristische Darstellung mit zahlreichen Einzelheiten, die schon aus wenigen Metern Entfernung nicht mehr zu erkennen sind. Entstanden ist diese Arbeit der Gesamtgröße von 141 x 131 Zentimeter in Nowgorod. Im Jahr 2008 stand die Ikone in London bei dem Auktionator Christie’s zur Versteigerung an, seitdem ist sie der weiteren kunstwissenschaftlichen Erforschung leider entzogen.
Veerle Vandamme: D’un autre monde. Icônes inconnues et art Byzantin, Antwerpen 1997.
Claus Bernet: Die Frühe Neuzeit. Eine Hoch-Zeit der Jerusalemskultur, Norderstedt 2016 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 5,2).