Entworfen wurde das Altarmosaik 1957 von Angela Gsaenger (1929-2011), der Tochter des Architekten der Kirche, Gustav Gsaenger (1900-1989). Dieses Mosaik parallel zu anderen Mosaikarbeit entstanden, die die Künstlerin für die Altarwand der evangelischen Kirche St. Matthäus in München und der Christuskirche Sulzbach-Rosenberg entworfen hat. Von allen drei Mosaiken zeigt sich das Motiv des Neuen Jerusalem hier am deutlichsten.
Ihr Mosaik in Wolfsburg will den Leidensweg Christi und, im übertragenen Sinn, den Weg der Gemeinde zum Ziel der Kirche ausdrücken. Das Kreuz Christi auf dem Altar erstrahlt in verklärtem Licht und bildet eine Brücke zu den weit geöffneten Toren der friedvollen Stadt. Die zwölf Tore fallen als goldene Trapeze besonders auf, sie sind einfach gestaltet, aber doch höchst wirkungsvoll gesetzt, da sie durch Bänder miteinander in Beziehung gesetzt sind.
Mosaikbilder werden nun nicht allein durch Farben belebt, sondern auch durch die Eigenart der Plattenoberfläche, die wie hier, unterschiedlich geschliffen, poliert und stumpf gestaltet ist. Durch den häufigen Wechsel der Plattengröße, durch verschiedenen Plattenzuschnitt und durch Äderungen im Marmor entsteht ein belebter Eindruck. Die Steine stammen, wie bei anderen Mosaiken der Künstlerin, aus verschiedenen europäischen Regionen: blaugrau aus Bayern (Würzburg), gelbrosa und grün aus Österreich, rot und weißgrau aus Italien, rotbraun aus Serbien, schwarz aus Belgien, weiß aus Mazedonien. Über eintausend Farbtafeln wurden in das Kunstwerk verbaut, das von zwei schwarzen Säulen gerahmt ist, eine Lösung, die Gsaenger in seinem Schaffen öfters anwendete.
Das Thema „Himmlisches Jerusalem“ hatte in Wolfsburg auch eine zeitgeschichtliche Bedeutung, da Wolfsburg für viele Vertriebene zur „neuen Stadt“ wurde. Maßgeblich beteiligt an der Ausführung war der evangelische Pastor Münzenberg, der sich besonders der Flüchtlingsarbeit angenommen hatte. Das Marmormosaik der Firma Kiefer war zudem auch preislich günstiger als ein Kleinstein- oder Glasmosaik, wofür bei der einfachen Nachkriegskirche damals kein Geld vorhanden war.
Werner Läwen: Evangelische Kirche in Wolfsburg: Entwicklung, Probleme, Perspektiven, Wolfsburg 1988.
Hinrich Buß: Kirche vor den Werkstoren: VW und evangelische Kirche in Wolfsburg, Hannover 1991.
Zur Künstlerin:
Das Werk und Leben der Künstlerin ist wissenschaftlich noch kaum erforscht. Geboren wurde sie 1929 in Obermenzing, heute ein Stadtteil von München. Nach ihrer Schulausbildung studierte sie von 1949 bis 1951 Kostümbildnerei und Graphik an der Meisterschule für Mode in München. Anschließend war sie von 1951 bis 1956 Meisterschülerin unter den Professoren Josef Hillerbrand (1892-1981) und Josef Oberberger (1905-1994). Nach Abschluss ihrer Ausbildung war Gsaenger in München ab 1956 als freischaffende Künstlerin tätig und gestaltete zahlreiche Glasfenster für protestantische Kirchen. 2011 ist Angela Gsaenger verstorben. Zahlreiche Arbeiten vor allem im Rahmen des Wiederaufbaus nach 1945 wurden inzwischen dokumentiert, zu den bekanntesten zählen:
München, St. Matthäus, Altarwand (1955)
Rieden, evangelische Kirche, Glasfenster (1958)
Hindelang, evangelische Kirche, Altarwand (1958)
Ramsau, evangelische Kirche Zum guten Hirten, Altarbild (1958)
München, Stadtmuseum, Fassadengestaltung (1959)
Hirschegg, evangelische Kirche, Glasfenster (1961)
München-Obermenzing, Bethlehemskirche, Altarbild (1961)
Fischbachau, evangelische Kirche, Glasfenster (1962)
München-Fürstenried, St. Andreas, Altarwand, Marmormosaik (1963)
München-Solln, Apostelkirche, Altarwandgemälde (1963)
Dingolfing, evangelische Kirche, Glasfenster (1964)
Schliersee-Neuhaus, evangelische Kirche, Flügelaltar (1964-1966)
München-Milbertshofen, evangelische Kirche, Altarwand (1965)
Amberg/Oberpfalz, evangelische Kirche, Glasfenster (1965)
Immenstadt, evangelische Kirche, Glasfenster (1965)
Oberstdorf (Allgäu), evangelische Kirche, Altarwandgemälde (1965)
München-Großhadern, Reformations-Gedächtniskirche, Glasfenster (1968)
Ingolstadt, St. Markus, gemaltes Kreuz (1969).