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MS 3089: Gebetbuch (um 1190)

Um das Jahr 1190 entstand in Brüssel das Gebetbuch „Officium canonicum et missae de S. Michaele et SS. Angelis“. Heute wird diese Handschrift unter MS 3089 in der dortigen Bibliothèque Royale Albert Ier aufbewahrt. Die Folii 23r, 27r und 40v zeigen das Neue Jerusalem in unterschiedlicher Perspektive und Interpretation. Da es sich um ein Gebetbuch handelt, spielen Szenen der Anbetung von Engeln und Geretteten hier natürlich eine hervorgehobene Rolle. Die zackige Ausführung, bei der die Szenerie mit wenigen Federstrichen skizziert ist, lässt die Malweise dem heutigen Betrachter expressionistisch erscheinen. Ähnlich wie bei dem Vorbild, dem Haimo-Codex, wurden auf eine einfache Vorzeichnung die Farben kräftig aufgetragen, wobei auf hell-dunkle Schattierungen fast vollständig verzichtet worden ist.

Fol. 23r betont mit zwei bewaffneten Rittern den wehrhaften Charakter der Gottesstadt. Ob es sich um eine Gesamtsicht der Stadt oder lediglich um einen der zwölf Türme handelt, kann nicht entschieden werden. Die Aufschriften, die sich an verschiedenen Stellen finden, beziehen sich auf die Namen der Edelsteine. Diese sind gleichzeitig auch als runde Kugeln unterschiedlicher Farbe – passend zum jeweiligen Edelstein – ins Bild gesetzt. In der unteren Hälfte öffnet sich die Architektur, und hinter einer rundbogigen Zinnenbekrönung erscheint das Lamm Gottes. Ebenso wie die zwei oberen Wächter ist es von zwei Engeln flankiert.

Fol. 27r zeigt Christus Pantokrator in einer Mandorla. Er ist oben umgeben von Engeln und unten von Heiligen, die in einer Architektur eingefasst sind. Niemand ist alleine; es sind stets zwei Figuren, die aus einer Arkade schauen und nach oben von einer Kuppel überdeckt sind. Die Anordnung ist nicht symmetrisch. Auf der rechten Seite ist ein Paar Geretteter mehr als auf der gegenüberliegenden Seite zu finden.

Fol. 40v zeigt zwei weitere rote Türme, von denen einer mit einem lateinischen Kreuz bekrönt ist. Rechts ist noch ein schmaler blauer Balken vorgesetzt: Nur anhand der Scharniere unten ist dieser als Pforte zu erkennen. Daneben befinden sich zwei Engelsreihen, die als Chor zur Verherrlichung Gottes singen oder beten.

Barbara Polaczek: Zwei romanische Apokalypsezyklen und ihr monastisches Umfeld, Regensburg 1997.
Barbara Polaczek: Apokalypseillustration des 12. Jahrhunderts und weibliche Frömmigkeit, Weimar 1998.
Privatime Horen einer Nonne, in: Werner Telesko u.a. (Hrsg.): Iconographia christiana, Regensburg 2005, S. 61-76.

 

tags: Gebetbuch, Bibliothèque Royale Albert Ier Brüssel, Belgien, Expressionismus, Arkaden, Christus Pantokrator
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