Die im 19. Jahrhundert recht beliebte Serie von Zweiwegebildern, entstanden in der Schweiz, war bald auch im französischen Sprachraum verbreitet. Hier entwickelte sich jedoch eine ganz eigene Bildtradition. Es sind mehrere Holzschnitte „Les trois chemins de l’eternité“ aus der ersten Hälfte bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt.
Diese Graphik ist etwas anders als ihre deutschen Vorbilder gestaltet. Die leicht variierenden Bilder sind meist durch massive quadratische Türme gegliedert, wie bei dem Zweiwegebild aus der Fabrikation Pierret, hergestellt in Rennes (Rennes, Musée de Bretagne, Inventarnummer. 906.0021.44, 10). Dieses ist vermutlich die älteste heute erhaltene französische Fassung, entstanden zu Beginn des 19. Jahrhunderts. An den Außenseiten haben die Türme rote Zeltdächer, dazwischen sind auf den Turmdächern kleine Engel positioniert.
Ein anderes Beispiel stammt aus den Vogesen. Verleger und Drucker ist Pellerin in Épinal des französischen Départements Vosges in der Region Grand Est (bis 2015 Lothringen). Zu dieser Zeit produzierte der Verlag Pellerin anspruchsvolle Massenware, die seriell gedruckt wurde, anschließend per Hand koloriert wurde und dann an Buchhandlungen, Klöster und Messen ausgeliefert wurde. Heute befindet sich eine Kopie im Museum Neuruppin, Inventarnummer 4438 (identisch mit einer Variante aus dem Musée National des Arts et Traditions Populaires, Marseille, Inventarnummer 65.75.243 D). Die Holzplatte zum Druck dieser Fassung hat sich übrigens im Musée de l’Image der Stadt Épinal erhalten, sie stammt von 1824. Freilich können die jeweiligen Kopien auch später gedruckt worden sein, jedoch nicht vor 1824.
Ein anderes, späteres Beispiel stammt ebenfalls aus den Vogesen und ist vor 1837 entstanden. Verleger und Drucker sind, wie zuvor, die Gebrüder Pellerin in Épinal (Kopie aus Marseille, Musée National des Arts et Traditions Populaires). Allein die Überschrift wurde verändert, alle anderen Details beibehalten, bis natürlich auf die Kolorierung, die dem Zeitgeschmack angepasst wurde.
Ein etwas anspruchsvolleres Blatt stammt vom Stecher Charles Boulay aus dem Verlag Théophile Frédéric Deckherr aus dem Département Doubs (BnF Paris, ebenso Musée National des Arts et Traditions Populaires in Marseilles, Inventarnummer. 65.75.676 D). Es ist mit großer Detailfreude erzählerisch ausgestaltet und entstand um 1825. Das Blatt bekam die Überschrift „Die drei Wege zur Ewigkeit“, wovon hier der dritte in das Neue Jerusalem gezeigt wird. Die Tore wurden zur Seite geschoben, damit eine Trinitätsdarstellung in einem Tondo eingefügt werden konnte.
Jean Mistler: Épinal et l’imagerie populaire, Paris 1961.
Myriam Blanc: Imagerie d’Épinal. L’encyclopédie illustrée, Vanves 2016.
Eine Kopie fertigte der Stecher François Georgin (1801-1863) aus dem Verlag Pellerin in Épinal (Museum Neuruppin, Inventarnummer 4554, identisch mit einer Variante aus dem Musée National des Arts et Traditions Populaires, Inventarnummer 65.75.244 D). Die Gesamtgröße beträgt 58 x 38 Zentimeter, datiert ist sie auf 1825.
Eine andere Arbeit mit einer einfachen, klassizistischen Architektur stammt vermutlich aus dem Verlag Pellerin (Ort unb.). Entstanden ist sie um 1840, erhalten hat sich eine Kopie im Musee National des Arts et Traditions Populaires in Marseille. Die Bildüberschrift ist groß in Französisch und klein in Deutsch beigegeben, was auf den deutsch-französischen Grenzraum verweist. Beibehalten hat man die mittige Trinitästdarstellung, ausgetauscht wurden die eher rustikalen blockartigen Türme zugunsten einer urbanen Variante. Auch die Stadtmauer wurde modernisiert, indem ihr eine Galerie aufgesetzt wurde.
Eine ebenfalls klassizistische Variante des Verlegers und Druckers Pellerin in Épinal erinnert an das Schloss Versailles. Die Mauer der Stadt wird jetzt zur Schloßgalerie, der Eingang in die heilige Stadt zum Seitenflügel. Die kolorierte Arbeit ist zweisprachig überschrieben: „Le chemin du Ciel et le chemin de l’Enfer. – Der Weg des Himmels und der Weg der Hölle“. Über dem Trinitätsemblem, welches nicht mehr in einem Tondo, sondern einem Wolkenband gefasst ist, findet sich ein französischsprachiger Vermerk, dass dieser Bogen zum Straßenverkauf in Frankreich freigegeben ist (Museum Neuruppin, Inventarnummer 4553). Eine andere Fassung besitzt das Heimatmuseum Trostberg und datiert es auf 1845. Eine wiederum minimal geänderte Fassung, die um 1865 entstanden ist, befindet sich im Museum Neuruppin: dort ist die Zeichnung allein deutschsprachig überschrieben (Inventarnummer GK 4377).
Jean-Charles Pellerin und die Bilderbogen aus Epinal, Köln 1964.
Claude Ponti: Historique de l’Imagerie Pellerin, Epinal 1984.
Wissembourg (Weißenburg) im Elsass war ein weiteres Zentrum der Zweiwegebilder. Die zweisprachig überschriebene, kolorierte Zeichnung aus dem Musée Westercamp hat eine Größe von 62 x 40 Zentimeter und erschien 1860 bei dem Grafiker Jean Frédéric Wentzel (1807-1869). Sie wird dem protestantischen Milieu zugeschrieben. Jerusalem in den Wolken wird auf Säulen getragen, die das Ganze an eine Tropfsteinhöhle erinnern lassen. Man erreicht die himmlischen Gefilde durch ein kleineres Tor rechts, während die größeren Tore in die Hölle führen.
Französische Bilderbogen des 19. Jahrhunderts: Sammlung Sigrid Metken, Paris. Staatliche Kunsthalle Baden-Baden und Gesellschaft der Freunde Junger Kunst e.V., 14. April bis 28. Mai 1972, Baden-Baden 1972.
Christa Pieske: The European origins of four Pennsylvania German brandsheet themes: Adam and Eve, the New Jerusalem, the Broad and Narrow Way, the Unjust Judgment, the Stages of Life, in: Der Reggeboge. Journal of the Pennsylvania German Society, 23, 1989, S. 7-32.
Martin Scharfe: Zwei-Wege-Bilder. Volkskundliche Aspekte evangelischer Bilderfrömmigkeit, in: Blätter für württembergische Kirchengeschichte, 90, 1990, S. 123-144.