
Guillaume de Digulleville: „Pélerinage de la vie humaine“, MS fr. 376 (1425-1450)
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Claus Bernet
- Januar 13, 2022
Diese späte Ausgabe der Pélerinage lehnt sich bezüglich der Miniaturen mit dem Himmlischen Jerusalem eng an ältere Ausgaben an, etwa an MS 1130. Deutlich wird dies schon bei der ersten Miniatur fol. 1r. Neu ist allein die Begrünung, wie etwa durch die Bodenfarbe oder durch verschiedene Pflanzen. Der Spiegel schwebt hier frei im Raum und zeigt Jerusalem als Kathedrale, deren Doppeltürme über den inneren Rand des Tondo heraustreten. Im Gegensatz zu vielen anderen Ausgaben der Pélerinage ist dieses Detail der Miniatur unbeschädigt.
Die Ausgabe wird zwischen den Jahren 1425 und 1450 entstanden sein. Unter der Signatur fr. 376 ist sie eine der vielen Pélerinage-Ausgaben der Französischen Nationalbibliothek in Paris und wurde von der Forschung bislang wenig herangezogen.
Die weiteren Miniaturen, die die Geschichte um Jerusalem fortschreiben, stammen zwei Mal von fol. 1v, sowie zwei Mal von fol. 2r. Verbindend ist die rötliche Hintergrundmusterung, die für Pélerinage-Ausgaben schon Tradition hat. Inhaltlich werden die humoristischen Szenen gebracht, auf denen Mönche verzweifelt und gewitzt, sich Zugang in die Stadt Jerusalem zu verschaffen. Sie lehnen lange Leitern an die Stadtmauern, sie verkleiden sich als Vögel und sie versuchen, sich an Kordeln nach oben ziehen zu lassen. Alles ist vergebens, auf krummen Wegen ist nicht nach oben zu gelangen.
Eine Rarität bietet die folgende Miniatur von fol. 2v. Dort kleiden sich drei der Mönche neu ein, um doch noch eine Chance zu haben, in die rettende Stadt zu gelangen. Anders als zuvor ist die Stadt nicht als Burg, sondern als zeitgenössische Kirche eingesetzt. Die Miniatur lebt aber vom Kontrast der nackten Menschen links und der prächtig gekleideten Figur rechts. Mit dem Schlüssel und der Tiara weist sie sich als Petrus aus, der von einem Teil der Kirche als erster Papst der Geschichte gesehen wird.
Abschließend muss noch fol. 144r erwähnt werden. Die dort zu findende Miniatur ergänzt den Reigen der Abbildungen, die mit dem Neuen Jerusalem zu tun haben. Vor einem Engel, der einen nackten Menschen an die Hand genommen hat, erscheint gegen Ende der Handschrift die Stadt der Zukunft noch ein weiteres und letztes Mal. Diesmal jedoch nicht auf dem Boden ruhend, sondern als Himmelserscheinung. Es handelt sich um eine zeitgenössische Festungsanlage, die wie oftmals Wasserburgen als Block errichtet wurden, mit einer ungewöhnlich vielgliedrigen Dach- und Turmlandschaft.
Le Pelerinage de humain voyage de vie humaine qui est exposé sur le Romans de la Rosé, in: Bibliothèque impériale – Département des manuscrits. Catalogue des manuscrits français, 1, Paris 1868, S. 31-32.
Claus Bernet: Die Spiegelvision des Guillaume de Digulleville, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 35).