Einige Reliquien bedeutender Heiliger aus Jerusalem waren seit dem 4. Jahrhundert im Besitz der Kaiser von Ostrom (Byzanz). Als sie von Ludwig IX. (König von Frankreich von 1226 bis 1270) für Saint-Chapelle in Paris erworben wurden, steigerte er dadurch das Ansehen von Frankreich und der Stadt Paris, welches sich damit in den Augen des mittelalterlichen Europas zu einem Neuen Jerusalem und zu einer zweiten Hauptstadt der Christenheit erhob.
Die Kapelle im ersten Arrondissement, die eigentlich eine große Kirche ist, wurde dann in den folgenden Jahrhunderten von den besten Künstlern Frankreichs ausgestaltet. Aus dem 15. Jahrhundert stammen die Glasfenster der Westfensterrose. Wie schon im Vorgängerfenster aus der Mitte des 13. Jahrhunderts, etwa in Gassicourt oder in Notre-Dame in Mantes-la-Jolie, ist die Apokalypse das beherrschende Thema des Fensters. Es ist davon auszugehen, dass die Erneuerung des 15. Jahrhunderts sich eng an die älteren Arbeiten anlehnte, so dass wir hier einen Eindruck von sicher einer der ältesten Darstellungen des Himmlischen Jerusalems auf einem Glasfenster vor uns haben. Bestandteile sind drei Engel vor der Stadt, von denen zumindest der mittlere vor einem Eingang wacht, ihn aber auch verdeckt. Die Mauern beidseits des Eingangs sind mit aufgesetzten Steinen oder Perlen geschmückt, wie es von Jean Bapteur dargestellt wurde. Dahinter erheben sich verschiedene Bauten eng nebeneinander, teilweise im gotischen Stil. In der Mitte thront auf einem Bau mit Flachdach (Altar?) das Lamm Gottes. Die gesamte Stadt und auch die Engel sind zwar farblich unterschiedlich, aber ansonsten in ihrer Form annähernd symmetrisch.

Louis Grodecki: Saint-Chapelle, Paris, um 1960.
Michel Dillange: La Sainte-Chapelle, Rennes 1994.
Ruth Wessel: Die Sainte-Chapelle in Frankreich: Genese, Funktion und Wandel eines neuen Raumtyps, Düsseldorf 2003.
Jean-Michel Leniaud: La Sainte-Chapelle, Paris 2007.
Claus Bernet: Klassiker des Himmlischen Jerusalem, Norderstedt 2012 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 1).