Das Himmlische Jerusalem ist nicht unbedingt ein erotischer Ort, wenngleich mittelalterliche Tafelbilder viel nackte Haut vor den Toren der Stadt zeigen. Ausnahmen bestätigen jedoch die strengsten Regel. Hier präsentiert eine nackte Person ihr Hinterteil – Arsch-Experten mögen entscheiden, ob es sich um eine Frau oder um einen Mann handelt. Die Person personifiziert jedenfalls den christlichen Glauben. In der niederländischen Allegorie tritt sie einer sitzenden Person gegenüber und legt ihm ein Joch auf die Schultern, nach dem Matthäusevangelium Kap. 11, Vers 29: „Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig“.
Mit der rechten Hand verweist die stehende Figur auf das Ziel des Glaubens links: Den Eingang in das Himmlische Jerusalem, hier dargestellt als klassizistisches Himmelstor. Es steht fest auf dem Boden; lange Schatten werfen sich von den Pfeilern nach vorne. Durch die Öffnung fällt Licht von einer Sonne, die mächtig den Hintergrund erhellt. Weiteres Licht strahlt übrigens von dem Haupt der Glaubensallegorie aus. Die Pforte ist mit drei Symbolen ausgestattet: In ihrem Segmentgiebel befindet sich das Lamm Gottes, welches für Christus steht. An den Ecken assistieren Statuen, links mit dem Anker die allegorische Personifikation des Glaubens, rechts mit dem Kreuz die Personifikation der Hoffnung, wie bereits auf einem Zweiwegebild von Gillis Mostaert (um 1580). Der sitzende Mensch mit dem Joch ist bereits vom Glauben ergriffen, darauf deutet sein frommer Blick und die gefalteten Hände. Rechts, also gegenüber der Himmelspforte, sehen wir eine Opferszene. Hier opfern „heidnische“ Priester ihrem falschen Gott – eine Anspielung auf den Unglauben auf dieser dunklen Seite, die traditionell der Verdammnis vorbehalten ist.
Philip van Gunst (1685-1732) ist der Künstler, der diesen 13 x 15 Zentimeter großen Kupferstich aus dem Reichsmuseum in Amsterdam um das Jahr 1720 anfertigte. Rechts außerhalb der ovalen Zeichnung ist die Arbeit signiert.