
Die Weltgerichtstafel aus dem Rathaus der Stadt Diest im östlichen Flandern ist eine in ihrer Darstellung Stefan Lochners Weltgericht erstaunlich ähnliches Werk, obwohl es zwischen 1425 und 1435, also kurz vor Lochners Werk, entstanden ist. Sie ist ein Zeugnis für eine in den Niederlanden verbreitete Tradition der Gerichtsbilder in den Gerichtssälen der Rathäuser. Die Darstellung des Weltenrichters sollte an dieser Stelle sowohl die Richter als auch Zeugen und Angeklagte zu Gerechtigkeit, Wahrheit und Reue ermahnen. Der Altar befindet sich heute nicht mehr in Diest, sondern wurde nach Brüssel transloziert (Brüssel, Musées royaux des Beaux-Arts de Belgique; KMSKB/MRBAB).
Er besteht aus einer Eichenholztafel, deren linke Seite dem Himmlischen Jerusalem vorbehalten ist. Die Stadt ist dargestellt als eine hochgotische Kathedrale aus Backstein, deren blockartig abbrechender Turm noch nicht vollständig fertig gestellt scheint. Der Bau hat eine ähnliche Farbe wie der goldene Hintergrund. In das Innere haben sich schon viele der Geretteten zurückgezogen und blicken aus zahlreichen Fenstern auf die Gerichtsszene vor ihnen. Unter dieser Galerie öffnet sich nach vorne eine gewaltige Flügeltüre, die den Blick auf einen Kirchenraum mit gotischem Netzgewölbe freigibt. Hier ist auch der Zugang, vor dem sich Ständevertreter eingefunden haben, wie ein Papst, ein König, ein Kardinal, ein Mönch – für den Maler scheint die Menschheit aus geistlichen Männern zu bestehen.
F. A. Dijck: Het Laatste oordeel te Diest, in: Mededelingen van de Stichting Arnoldus, 4, 2, 1975, S. 1-33.
R. van de Ven: Enige aantekeninge bij het Laatste Oordeel van Diest, in: Meer Schoonheid, 29, 4, 1982, S. 98-105.
Anne Dubois, Roel Slachmuylders: The Flemish primitives 5: Anonymous masters, Brussels 2009.